Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
sagte Bramante und fasste sich an den Kopf. Noch während er Ascanio begrüßte, entsann er sich, dass dieser ihm damals die Tür von Imperias Palazzo geöffnet hatte.
»Dann suche ich mir im Vorraum einen Platz. Ruft nach mir, wenn Ihr mich braucht«, schrie Ascanio, vergeblich bemüht, dem Wunsch des Hausherrn nachzukommen. Bramante warf Sangallo einen schicksalsergebenen Blick zu. Sein Schutzengel musste doch nicht gleich die Mauern von Jericho zu Fall bringen!
»Lasst Euch von Giorgio einen Platz zuweisen und etwas zu essen geben.«
Nach einer nicht weniger aufwendigen Verbeugung als bei seiner Ankunft verließ Bramantes neuer Leibwächter den Raum. Der Architekt sah ihm mit einem Lächeln nach.
»Er muss lange in Frankreich gedient haben«, sagte er, auf die Verneigung anspielend. Ein warmes Gefühl der Dankbarkeit für Imperia erfüllte ihn. Gab es denn einen größeren Liebesbeweis? Er verscheuchte die Gedanken an die Herrin seines Herzens, setzte sich auf die Bettkante und wandte sich wieder seinem Besuch zu. Ihm war noch immer ein wenig schwindelig, aber das wollte er nicht zulassen und ging dagegen an. Aus dem langen weißen Hemd baumelten seine behaarten, bogenförmigen Beine mit den großen Plattfüßen.
»Giuliano, alter Freund, ich bedarf deiner Hilfe und deiner Dienste. Bist du bereit, dich für die Ziele unserer Bruderschaft einzusetzen?«
Sangallos Robbenschnauzbart begann zu zittern, Rührung trat in seine Augen. »Unsere gute Bruderschaft, wie oft denke ich daran …«, seufzte er, und Bramante meinte sogar, eine kleine Träne in seinem Augenwinkel auszumachen.
»Der Neubau von Sankt Peter muss der Tempel der Fedeli d’Amore werden! Mein Plan ist der: Du legst einen Entwurf für den Neubau des Petersdomes vor, konsequent als Zentralbau gedacht. Frà Giocondo wird sicher mit der Skizze eines Langhauses kommen, so wie ich den gotischen Langweiler kenne. Und wenn der Streit darüber seinen Höhepunkt erreicht, werde ich einen Vorschlag mit einer mächtigen Vierung vorlegen, lasse aber die Frage nach Zentralbau oder Langhaus offen. Denn diese werden wir dann praktisch beim Bauen beantworten!«
Sangallos Augen leuchteten. »Donato, du alter Spitzbube, du willst einfach vollendete Tatsachen schaffen?«
»Kennst du eine andere Definition für das Bauen, als vollendete Tatsachen zu schaffen? Sollen wir etwa mit Laien, mit Theologen vielleicht noch, über die Kunst der Architektur streiten? Ich bitte dich, Giuliano! Die sollen zahlen, aber den Rest uns überlassen!«
Aus Sangallos Blick sprach Bewunderung für die Frechheit und Konsequenz von Bramantes Plan. Beide Eigenschaften, Dreistigkeit und Rücksichtslosigkeit, lagen nicht in seinem Wesen, deshalb, und damit hatte er sich längst abgefunden, würde er immer der Zweite, niemals der Erste sein.
»Um noch eines muss ich dich leider bitten, mein Freund. Schweig aber darüber.« Bramante hob seine schmerzende rechte Hand, die rot und geschwollen war.
Sangallo erkannte die unheilbare Krankheit. »Die Handgicht!«
»Ja, das Entwerfen fällt mir zunehmend schwerer. Bald werde ich nicht mehr dazu in der Lage sein. Aber niemand darf davon erfahren, meine Feinde würden dieses Wissen gegen mich benutzen. Ein Architekt, der nicht mehr zeichnen kann!«
»Als ob es auf das eigenhändige Entwerfen ankommt«, warf Sangallo ein.
»Ein technischer Vorgang, aber wer weiß das schon.«
Giuliano da Sangallo stützte das Kinn in die Hand und überlegte einen Moment. Praktisch veranlagt, wie er war, suchte er sogleich nach einer Lösung für Bramantes Problem und fand einen eleganten Ausweg.
»Nimm meinen Neffen Antonio zu dir in die Lehre, bilde ihn zum Meister aus! Er ist ein ausgezeichneter Zeichner, er wird deine Ideen zu Papier bringen und dein Geheimnis wahren.«
Bramante erhob sich und umarmte Sangallo ebenso erleichtert wie bewegt.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit begab sich Bramante mit dem Porträt des Meuchelmörders zum Kolosseum. Er hatte die Skizze, die er bei dem Überfall auf den Entwurf gezeichnet hatte, auf ein sauberes Blatt übertragen. Hinter ihm hielt sich in diskreter Entfernung Ascanio. Der Architekt war zwar noch etwas blass um die Nase, steckte aber schon wieder voller Tatendrang und Kampfeswillen. Endlich würde es dem verfluchten Mörder von Pico an den Kragen gehen! Bramante war aufgeregt wie ein Knabe vor der Kommunion, auch wenn es um eine Totenmesse ging.
Sie durchstreiften zuerst die an verwilderte Höhlen erinnernden
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