Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
war ihr unerträglich, dem alten Baumeister, den sie auf andere Art liebte, ihr Scheitern einzugestehen. Bramante und sie hatten zugunsten ihrer Ziele aufeinander verzichtet – sie wollte Chigis Frau werden und er den Petersdom bauen. Nun, wenigstens er kam voran.
Eines Tages saß Imperia wieder einmal, in trübe Gedanken versunken, in ihrem Zimmer, als der Diener ihr eine Besucherin meldete. Der Bankier befand sich gerade auf einer Reise nach Venedig – zumindest hatte er dies gesagt.
»Führe sie in die Loggia«, sagte sie. Sie stand auf und warf einen Blick in den Spiegel. Mit der Hand strich sie sich eine Locke aus dem Gesicht, schloss kurz die Augen und holte einmal tief Luft. Dann schritt sie gefasst hinunter in die Loggia. Sie wollte sich nichts anmerken lassen. Wie groß war ihre Überraschung, als der Diener Donna Lucrezia d’Este hereinführte, eine Dame aus dem italienischen Hochadel. Was mochte die Gräfin von ihr wollen?
Wie sie selbst hatte Donna Lucrezia ein bewegtes Vorleben. Sie war die Tochter der Kurtisane Vanozza de’ Cattanei, der Geliebten Papst Alexanders VI., Rodrigo Borgia, und Schwester von Cesare Borgia. Dieser Papst hatte jedoch die bewunderungswürdige Dreistigkeit besessen, seine Kinder nicht verschämt Neffen und Nichten zu nennen, sondern offiziell anzuerkennen. Aus diesem Grund lautete ihr Geburtsname Lucrezia Borgia.
»Es ist schön, Madonna, dass Ihr mich besucht. Aber was verschafft mir die hohe Ehre?«, erkundigte sich Imperia, nachdem sie sich begrüßt und auf den Sesseln in der Loggia Platz genommen hatten.
Die Gräfin wirkte sehr zart, fast durchscheinend. Sie hatte es geschafft, dachte Imperia nicht ohne Neid. Obwohl man sich über ihre Jugend die schlimmsten Dinge erzählte – vom Giftmord bis zum Inzest sollte sie angeblich nichts ausgelassen haben –, sprach die Tugend, der sie sich inzwischen befleißigte und ihre Hingabe als Mutter immer lauter und vernehmlicher für sie.
»Ihr sollt wissen, dass ich die größte Achtung für Euch empfinde«, begann die Gräfin behutsam. »Aber manchmal müssen wir Verzicht leisten, auch auf das, was wir lieben.« Imperia fühlte, wie alle Instinkte in ihr anschlugen, und starrte Lucrezia an. »Agostino liebt Euch und ihr ihn. Aber er ist einer der reichsten Männer der Welt. Sein stato verpflichtet ihn dazu, dem Unternehmen eine solide familiäre Grundlage zu geben. Und nichts, meine Liebe, ist solider als die Verbindung von Geld und Adel.« Imperia gefror das Blut in den Adern. Noch bevor ihr Besuch weitersprach, ahnte sie, worauf das Ganze hinauslief. »Kurz und gut, Ihr müsst auf Agostino verzichten, voll und ganz, damit er Margarita, die Tochter des Grafen Gonzaga, heiraten kann.«
Die Gräfin schwieg und ließ Imperia Zeit, sich zu fassen. Imperia stützte die Ellbogen auf die Sessellehnen und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Vor ihrem inneren Auge stürzte mit einem Mal das ganze Gebäude ihrer Hoffnungen in sich zusammen, das nichts anderes gewesen war als ein Kartenhaus der Illusionen. Margarita war die Tochter des Herrn von Mantua und gehörte dem Hochadel an. Natürlich verpflichtete Agostinos Stellung ihn dazu, eine Dynastie zu gründen, sein Unternehmen familiär abzusichern. Sie selbst hatte Margarita Saraceni auf dem Sterbebett geschworen, Agostino nie zu schaden und ihn in allen seinen geschäftlichen Unternehmungen zu unterstützen. Und diese Heirat sollte nicht aus Liebe geschehen, sondern aus geschäftlichen Erwägungen heraus. Was zählte schon das Glück einer Kurtisane gegen das Geschick des größten und reichsten Unternehmens der Welt? Nur die Fugger nördlich der Alpen konnten sich mit Agostino Chigi messen. Nichts, natürlich nichts.
Genau deshalb würde sie immer eine Kurtisane bleiben, durchfuhr es Imperia. Sie konnte noch so klug vorgehen – im entscheidenden Augenblick würden sie doch die Gefühle einholen. Wie hatte sie jemals hoffen können, ihrer Vergangenheit entfliehen zu können?
Sie hob den Kopf. »Ich sehe das ein«, sagte sie gefasst. »aber warum sagt er mir das alles nicht selbst?« Das verletzte sie am meisten.
Lucrezia d’Este ergriff ihre Hand. »Ach, meine Liebe! Ihr wisst doch: Männer sind so feige, vor allem dann, wenn sie lieben.«
Zuerst fühlte sich Imperia getröstet, dass Lucrezia ihre Hand hielt, und wollte sich diesem Gefühl schon unter den mitfühlenden Augen der Gräfin hingeben. Doch sie war eine Kurtisane und hatte nicht umsonst ihr Gewerbe von klein auf
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