Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
zusammen. Eine halbe Stunde später hastete er bereits die elegante Freitreppe in den ersten Stock in Chigis Palazzo hinauf, in dem das Schlafzimmer lag. Vor der offenen Tür stand Agostino Chigi im Korridor. Er wirkte wie ein Schatten seiner selbst, und aus seinen Augen sprach eine Verzweiflung, die an Wahnsinn grenzte. Er sah Bramante an, aber er erkannte ihn nicht. Aus Imperias Schlafzimmer trat Bonet de Lates. Er nickte dem Architekten kurz zu, dann wandte er sich an den Bankier. »Ihr müsst jetzt sehr stark sein. Vor dem starken Gift versagt meine Kunst. Ich kann nichts mehr für sie tun.«
»Und wenn wir sie zum Erbrechen bringen?«
»Zu spät. Das Gift wütet schon in den purpurnen Flüssen unter der Haut und frisst ihr Herz.«
»Nicht das Gift, mein Verrat hat sie getötet«, murmelte Chigi und sackte noch mehr in sich zusammen.
»Geht hinein! Sie will euch beide sehen!«
Nach Chigi, der wie ein geprügelter Hund die Schultern eingezogen hatte, betrat Bramante das Schlafzimmer. Das Fresco Sodomas mit der fast nackten Roxane wirkte in diesem Augenblick eigenartig fehl am Platze. Blass und durchscheinend lag Imperia auf dem Bett. Noch nicht ganz fort, aber auch schon nicht mehr von dieser Welt. Bramantes Herz schmerzte so heftig, dass er glaubte, es würde ganz wund davon und könnte stehen bleiben.
»Meine beiden Männer!«, flüsterte Imperia mit einem zärtlichen Lächeln. Mit ihrer langen, zarten Hand wies sie auf ihre Bettkante. Verunsichert wollte jeder der beiden dem anderen den Vortritt lassen, Bramante, weil er wusste, dass Chigi Imperias inoffizieller Ehemann war, und Agostino Bramante aus Schuldgefühl ihm gegenüber.
»Für Förmlichkeiten haben wir keine Zeit«, sagte der Architekt schließlich und setzte sich ihr zur Linken, der Bankier ihr zur Rechten. Sie legte den Finger an die Lippen und forderte die beiden Männer sanft und nachdrücklich zum Schweigen auf.
»Schwört, dass ihr alles, was in eurer Macht steht, für Lucrezia tun werdet. Schwört bei Gott! Bei eurer ewigen Seligkeit!« Die beiden Männer hoben die Hand und leisteten den Eid. »Gräme dich nicht, Agostino, und heirate die Gräfin. Wir hatten eine gute Zeit. Ich hatte viel Glück. Viel Glück!« Schmerzen verzerrten Imperias Gesichtszüge, aber sie kämpfte tapfer dagegen an. »Wisst ihr denn nicht, dass man gehen soll, bevor die Neige ausgetrunken ist?« Sie blickte zur Tür, und ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. »Lasst uns allein«, hauchte sie.
In der Tür stand Lucrezia, kalkweiß und mit schreckgeweiteten Augen. Schweigend verließen die beiden Männer das Zimmer. Vor der Tür sahen sie sich stumm an. Bramante befand sich in einem heftigen Zwiespalt, ob er den Bankier umarmen oder verprügeln sollte. Er hätte beides gern getan. Aus dem Zimmer klang ab und zu leises Gewisper. Wie zwei junge Mädchen, die miteinander alberten. Bramante fürchtete, den Verstand zu verlieren. Dann zerriss der schrille Schrei Lucrezias die Stille.
Im gleichen Augenblick erklomm niemand Geringeres als Papst Julius II. die Treppe und ging an den beiden Männern vorbei ins Schlafzimmer. Mit wenigen großen Schritten hatte er das Bett erreicht. Er schloss Imperias Augen und machte mit dem Daumen das Kreuzeszeichen auf ihre Lider. Dann nahm er Lucrezias Hand. »Komm, mein Mädchen, lass uns beten!« Sie knieten nieder, Hand in Hand, ein fünfzehnjähriges Mädchen und der neunundsechzigjährige Stellvertreter Christi. Sie knieten nieder, um für eine Kurtisane zu beten. Nie war der Papst seinem Gott näher gewesen, der auch Maria Magdalena verziehen hatte.
In dieser Nacht entlud sich ein furchtbares Unwetter aus Gewitter und Hagel über Rom. Die Hagelkörner hatten die Größe von Taubeneiern. Zwei Tage später machte ein Epigramm des Dichters Gian Francesco Vitale in der Stadt die Runde. Agostino Chigi hatte es in Auftrag gegeben: »Die Alten verloren ein Weltreich, wir aber, wir haben unser Herz verloren« – die Worte spielten geistvoll mit den Worten Imperium und Imperia.
Agostino Chigi trug Trauer. Er richtete Imperia ein pompöses Begräbnis aus und ließ sie in Santa Maria del Popolo begraben. Auch erwarb er in dieser Kirche eine Kapelle, in der er selbst dereinst beigesetzt werden wollte, in der Nähe der geliebten Frau. Die Ehe mit Margarita Gonzaga kam nicht mehr zustande. Man wahrte die Form und ließ verlauten, Margarita habe sich in letzter Minute anders entschlossen.
Kurze Zeit nach Imperias Tod bat Bramante
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