Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
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Imperia stand in der Loggia und blickte in den Park hinaus. Ein milder Wind strich vom Fluss herauf. Seit ein paar Tagen sprudelte die Fontäne in dem Brunnen, der aus zwei unterschiedlich großen Wasserschalen bestand. Eigentlich hätte sie glücklich sein können. Sie lebte mit dem begehrtesten Mann Roms in einem der schönsten Paläste der Welt. Sie waren fast verheiratet und nach der Trauung würde sie ihre Tochter zu sich nehmen. Mit der Zeit würde auch Gras darüber wachsen, dass sie einmal die begehrteste Kurtisane Roms gewesen war. Fast hatte sie ihr Ziel erreicht, eine richtige römische Donna zu sein. Wenn nur dieses verfluchte »fast« nicht wäre. Das kleine Wörtchen »Ja« vor dem Traualtar fehlte ihr entschieden zum Glück. Imperia seufzte tief, bevor sie ein fröhliches Gesicht aufsetzte, weil sie Chigi und den Maler Raffael vom Tiberufer durch den Garten zum Haus kommen sah. Aus der Entfernung wirkten sie wie zwei Brüder, die mit ausgelassenen Gesten nebeneinander hergingen. Ohne den Blick von den beiden Männern zu lassen, wies Imperia den Diener an, Erdbeersaft zu servieren.
Alle Welt schwärmte von dem jungen Maler aus Urbino. Mit seinem schwarz glänzenden Haar, den glutvollen dunklen Augen unter der hohen Stirn, dem vollen Kinn und dem ausdrucksvollen Mund war er so liebenswürdig, so formvollendet und so schön wie seine Bilder. In der Tat sah Raffael aus, wie von Raffael gemalt. Nicht ohne Stolz dachte Imperia, dass ihr Mann auch neben diesem Adonis eine gute Figur abgab. Die beiden hatten die Höhe des Springbrunnens erreicht und winkten ihr zu. Sie erwiderte ihren Gruß. Dann setzte sie sich in einen der Lehnstühle, die in der Loggia standen. Die beiden Männer kamen die Stufen herauf.
»Raffael hat eine wunderbare Idee für die Ausmalung der Loggia. Gewagt, aber schön«, rief ihr Chigi entgegen.
»Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet. Jetzt spannt mich aber nicht länger auf die Folter«, sagte Imperia.
Raffael stellte sich vor sie und breitete ebenso theatralisch wie anmutig die Arme aus. »An die Wände kommt nichts«, erklärte er. »Außer ein paar Verzierungen natürlich. Aber in die Zwickel und Kappen und an die Decke malen ein paar Freunde und ich Bilder, die in einem lichten, hoffnungsvollen Blau gehalten sind. Die Bilder haben nur ein Thema: Amor und Psyche.«
»Die Geschichte der Liebe also«, sagte Imperia. Die Idee gefiel ihr.
»Ja, aber die Geschichte der irdischen Liebe, der Liebe zwischen Frau und Mann!«, rief Chigi fröhlich und warf Imperia einen Luftkuss zu.
Weiter schlug der Maler vor, auch die Wände und Fußböden in den verschiedenen Facetten von Blau leuchten zu lassen.
»In der Loggia wird man zu schweben glauben«, schwärmte Chigi.
»Wie im Glück der Liebe«, fügte Imperia leise hinzu. Sie strahlte von innen heraus, ganz das irdische, das gute und schöne Menschenglück. Weder Agostino Chigi noch Raffael konnten sich in diesem Moment an ihrem Anblick sattsehen.
In der Nacht liebten sich Imperia und Agostino ruhig und ausgiebig. Am Morgen flüsterte sie ihm ins Ohr, dass sie davon träume, ihre Tochter zu sich zu nehmen.
»Dann tu es«, sagte er mit einem Lächeln.
»Wirklich?«
Er nickte. Imperia konnte sich vor Freude kaum fassen. Alles, alles, was sie jemals erträumt hatte, würde in Erfüllung gehen. Sie küsste ihn aufs Ohrläppchen, nahm es dann zwischen ihre Lippen und biss mit ihren spitzen Zähnen einmal lustvoll und schmerzhaft zugleich zu. Er schrie kurz auf. Imperia erhob sich und drehte sich vor ihm wie eine Königin vor dem Spiegel. Dann trat sie ans Fenster und schaute hinaus.
»Ich möchte im späten Frühling oder im Spätsommer heiraten. Dann können wir unten am Tiber die Festtafel aufstellen und im Freien feiern. Und wenn der Dompfaff singt, dann werden wir uns diskret zur Hochzeitsnacht zurückziehen. Du, mein lieber Agostino, wirst so tun, als ob ich noch Jungfrau wäre, und ich werde so tun, als hätte ich überhaupt keine Erfahrung. Dann wirst du mein erster Mann sein, und die Welt wäre wieder in Ordnung.«
Agostino stand auf und trat zu ihr. Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und versuchte, in seinen Augen zu lesen. Sie fand Nachdenklichkeit.
»Willst du das nicht?«
»Hol deine Tochter zu uns.«
»Nach unserer Hochzeit. Ich will ihr eine richtige Familie bieten.«
»Mit der Hochzeit warte noch. Ich bin noch nicht so weit«, sagte er, löste sich von ihr und ging zur Tür. »Komm, lass uns
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