Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
erzählte. Er wollte ihn gern in den Geheimbund aufnehmen. Der Maler war überrascht und erklärte, er fühle sich geehrt. Als sie auseinandergingen, hatten sie besprochen, dass die Weihe innerhalb der nächsten vierzehn Tage erfolgen solle.
Den ganzen Heimweg über befand sich Bramante in einer freudigen Hochstimmung. Als er ins Haus trat, verspürte er sogleich eine seltsame Spannung. Er vernahm undeutliche Geräusche und lustvolles Geflüster. Er schlich durch den Durchgang in den kleinen Garten, einen hübschen giardino segreto , den er hatte anlegen lassen. Auf der Marmorbank unter dem mächtigen Sternenzelt entdeckte er einen großen Schatten, der sich bei genauerem Hinsehen als zwei Menschen entpuppte, die sich küssten und miteinander flüsterten. Bei aller Zärtlichkeit wirkten sie unschuldig, suchend und sich behutsam nähernd. Nicht auf die wilde Art, nicht so, wie er Frauen genommen hatte. Das rührte ihn, und er trat vorsichtig näher, um den Diener und eine Magd, wie er vermutete, zu belauschen. Doch dann erkannte er Lucrezia und Antonio. Zornentflammt und auch voller Trauer trat er aus den Büschen. Die beiden jungen Leute stoben erschrocken auseinander. Bramante war sprachlos vor Wut. Lucrezia schlug die Augen nieder, und Antonio erhob sich.
»Ich möchte Lucrezia heiraten, Messèr Donato!«, sagte er mit fester Stimme.
»Sie ist nicht für dich!«, brüllte der Architekt. »Sie ist für einen reichen Mann bestimmt oder für einen Adligen, nicht für einen simplen Baumeister!«
»Aber habt Ihr nicht immer davon gesprochen, dass wir Architekten die Herren der Welt seien?«, hielt Antonio tapfer da4gegen, ohne sich vom Gebrüll seines Meisters beeindrucken zu lassen. Nur fachte er damit Bramantes Zorn noch weiter an.
»Dass du in diesem Haus nicht mehr leben kannst, wirst du wohl einsehen. Geh zurück zu deinem Onkel Giuliano!«
»Maestro …«
»Geh!«, sagte Bramante kalt und wies mit der ausgestreckten Hand zum Haus. »Sofort!«
Lucrezia wollte protestieren, doch er befahl ihr, auf ihr Zimmer zu gehen. Ascanio wies er an, jeglichen Kontakt zwischen ihr und Antonio zu unterbinden.
Teil III –
Der Sturz der Götter
Ihr Reichtum erfüllte alle Welt,
und ihr Ruhm drang bis ans Ende der Erde.
Sie stiegen hinauf bis zu den Sternen,
dachten, sie könnten nicht zu Fall kommen.
Sie wurden übermütig in ihrem Glück
und konnten es nicht ertragen …
In seinem Übermut stürzte der Sünder mit dem Widder
feste Mauern,
und du hinderst es nicht.
Fremde Heiden bestiegen deinen Altar,
betraten ihn übermütig in ihren Schuhen,
dafür, dass die Söhne Jerusalems das Heiligtum
des Herrn entweihten,
die Opfer Gottes in Gottlosigkeit schändeten.
Darum sprach er: Tut sie weit weg von mir,
ich habe keinen Gefallen an ihnen!
Ihre herrliche Schönheit war nichts vor Gott,
entehrt aufs Äußerste.
Die Söhne und Töchter in schimpflicher Gefangenschaft,
im Verschluss ihr Hals, bloßgestellt unter den Heiden.
Die Psalmen Salomos, 2, 1 – 6
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Rom, Anno Domini 1512
Imperia litt. Seit einem halben Jahr spürte sie, dass sich Agostino immer mehr von ihr zurückzog. Er hielt sich seltener zu Hause auf und weilte oft außerhalb Roms. Auch hatte er aufgehört, sie darin zu bestärken, Lucrezia zu sich zu nehmen. Schmerzhaft empfand sie seine innere Zerrissenheit. Zuweilen fühlte sie sich von ihm beobachtet, mit einem kalten Blick gemustert. Gleich darauf war er dann wieder liebevoll, ja geradezu überschwänglich zärtlich zu ihr, als bereue er sein distanziertes Verhalten. Dabei kam sie mit der Kälte fast besser zurecht als mit dem Überschwang, denn die Distanziertheit war echt, die Zärtlichkeit aufgesetzt. Wie Mitleid, dachte sie eines Tages. Dieser Gedanke träufelte Gift in ihre Seele. Sie grübelte darüber nach, weshalb Agostino Mitleid mit ihr empfinden könnte, als ob sie an einer unheilbaren Krankheit erkrankt wäre.
Immer häufiger begab er sich auf Reisen oder übernachtete im Kontor und schützte Arbeit vor. Imperia hatte über Petronilla diskrete Erkundigungen einziehen lassen. So war sie zumindest sicher, dass er sich nicht mit anderen Frauen vergnügte, zumindest nicht aus dem Gewerbe. Von einer heimlichen Geliebten wusste auch niemand etwas, und in Rom ließ sich eine Liebschaft, ging man auch noch so vorsichtig zu Werke, nicht geheim halten. Mehr als einmal stand sie kurz davor, sich ihrem alten Freund Donato zu offenbaren, doch im letzten Moment war es ihr Stolz, der sie davon abhielt. Es
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