Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
gibt so viele davon. Darf ich Euch Messèr Giorgio nennen?« Ihr Lächeln wog die kleine Ohrfeige, die sie seiner Eitelkeit versetzt hatte, bei Weitem auf.
»Ihr dürft, Madonna …«
Ein leichtes Rot belebte ihren vornehmen Teint. »Oh, ich bin keine Madonna. Marchesa Isabella di Vignola. Aber nennt mich ruhig Isabella, es gibt auch so viele Marchesas, Messèr Giorgio.«
»Es ist mir eine Ehre, Isabella«, sagte Vasari mit einer Verbeugung.
»Lasst es Euch lieber eine Freude sein. Die Freude ist menschlicher als die Ehre.«
Er hatte sich Hals über Kopf in sie verliebt, obwohl er längst kein heißblütiger Jüngling mehr war, und sie schien sein Gefühl zu erwidern. Vasari konnte sein Glück kaum fassen, denn in seinem Alter fand man zwar Huren die Menge, der Vermögende auch Kurtisanen, die einem alles vorlogen, was man hören wollte, alles machten, was man sich wünschte, und stöhnten, hoch oder tief, schnell oder langsam, mit kleinen spitzen Schreien gewürzt oder von schwerem Schnaufen grundiert, wie man es bevorzugte. Aber man traf keine junge Frau mehr, die einen wirklich um seiner selbst willen liebte, weil der eigene Atem inzwischen schon so nach Tod und Verwesung stank, dass einem selbst schlecht davon wurde. Doch ihm, Giorgio Vasari, war sie begegnet, eine wirkliche Dame, die zwar dreißig Jahre jünger war als er, aber weder sein Geld noch seine Protektion benötigte, sondern nur ihn begehrte, ihn, den kleinwüchsigen Maler.
Am Abend zuvor beim Spaziergang hatte sie ihn unvermittelt gefragt, ob er sie porträtieren wolle. Seine Freude und sein Erschrecken darüber hielten sich die Waage. Große Fresken, Massenbilder für Paläste und Altäre hatte er angefertigt, Gebäude errichtet, Staatsfeste und Volksumzüge ausgestattet, aber Porträts gehörten nicht zu seinen Spezialitäten.
Wie bei jedem neuen Gemälde wollte er zunächst eine Skizze anfertigen, bevor er ihr Bildnis auf einer Buchenholztafel in Öl bannen würde. Für den Entwurf hatte er lange zwischen Papier und Karton geschwankt, schließlich sich doch für Letzteres entschieden. Es gehörte eigentlich zu den Aufgaben der Gesellen, den Karton herzustellen und zu grundieren, aber diesmal hatte er es sich selbst vorbehalten, den Karton zu leimen und das Knochenmehl darauf zu verstreuen, mit Speichel haftbar zu machen und mit einer Hasenpfote zu verputzen, bis die Oberfläche glatt genug war, um mühelos die Striche aufzunehmen und zu konservieren. Wenn er mit den Fingerspitzen über den grundierten Karton fuhr, auf dem die gelben, weißen und roten Lichter der Kerzen auf dem schneeweißen Untergrund tanzten, glaubte er, ihre glatte Haut zu berühren.
Überall in seinem Haus hatte er Kandelaber aufstellen lassen, aus Silber, aus Gold, neue und alte, so viel er finden konnte. Dann hatte er Ascanio losgeschickt, um für ein kleines Vermögen Kerzen zu erwerben. Taghell sollte es sein, wenn Messèr Giorgio die Dame seines Herzens malen würde. Das Porträtieren würde ein intimes Stelldichein von Amor und Psyche stiften, jubelte es in ihm. Dass sich der alternde Mann mit dem jungen Liebesgott verglich, entbehrte nicht einer gewissen Komik, der sich Vasari durchaus bewusst war. Seine Fähigkeit zur Selbstironie verfeinerte sein üppiges Selbstbewusstsein. Aber wenn die Liebe die Schwerkraft bezwingen konnte, sagte er sich, dann auch das Alter. Amor vincit – alles besiegt der Gott der Liebe. Außerdem alterten die Götter nicht, warum also er?
Die Zeichnung – disegno – , die dem Gemälde immer vorausging, betrachtete er als die eigentliche Arbeit des Künstlers, die Farbe – colore – hingegen nur noch als deren Umsetzung durch den geschickten Handwerker. Beim Skizzieren schuf der Geist sein Gebilde. So schrien es seine Schriften seit Jahren in alle Welt hinaus. Mit beißendem Spott hatte er die Venezianer, allen voran die Meister der Porträtkunst, Sebastiano und Giorgione, überzogen, weil sie wie Kinder mit Farben herumprobierten, anstatt die Bildidee vorab gültig in einer Zeichnung zu erschaffen. Und nun?
Nun blieb auch ihm nichts weiter übrig, als ebenso zu stümpern wie sie. Keine Idee hielt seiner Kritik stand. Das hatte er in den fünfzig Jahren, in denen er nun schon malte, noch nicht erlebt. Wenn er an Isabella dachte, verlor er alle Sicherheit. Nicht ein Einfall schien ihm gut genug für ihr Bildnis. Sollte er sie in einem geschlossenen Raum porträtieren oder an einem geöffneten Fenster? Vor einer imaginären
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