Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
allen Poren.
»Wie schön Ihr seid!«, stieß er hervor.
»Ich habe ein Bild bestellt, Messèr Giorgio, kein Madrigal!«, entgegnete sie so kühl, dass er sich auf einmal nackt vor ihr fühlte. »Malt mich, wie ich bin, malt mich als Triumph über die Zeit, die alles welken lässt.«
Das also war es, was sie von ihm wollte, Ewigkeit erlangen. Und das konnten außer Gott nur die Künstler und Dichter vollbringen. Deshalb bezahlten die Herren der Welt sie und buhlten um die Gunst der Besten unter ihnen, weil nur die Poeten und Maler Ewigkeit zu schenken vermochten, weil sie den Ruhm den nachfolgenden Geschlechtern übermittelten. Der beste Mann blieb tot, wenn nicht ein Gemälde oder ein Gedicht, eine Chronik oder Allegorie von seinen Taten kündete.
Nur zu gern kam Vasari Isabellas Wunsch nach. Ihre Schönheit sollte bis ans Ende aller Tage die Menschen zum Staunen bringen. Die Vermessenheit der Aufgabe spornte ihn an. Schöner als Leonardos Gioconda und sinnlicher als Raffaels Fonarina sollte sie werden, dabei aber noch unschuldiger als Botticellis Venus.
War es der Spott oder die Auszeichnung des Schicksals, dass sein größtes Werk nicht die Fresken in der Sala Regia oder im Saal der Fünfhundert im Palazzo della Signoria in Florenz sein würden, sondern ein vielleicht zwei mal drei Ellen großes Porträtbild der freilich schönsten Frau, die er je auf Bildern und im Leben gesehen hatte? Vasari stand an der Schwelle zur Ewigkeit.
Seine Augen berührten ihren Körper, tasteten jede Rundung und jedes Hautfältchen ab. Mit jedem Blick, mit jeder Linie, die er ihrem Körper abnahm, ergriff er Besitz von ihr. So hatte er noch keine Frau geliebt wie jetzt Isabella, indem er sie zeichnete. Er versank in einen Rausch, schneller und immer schneller trieb er den Bleigriffel, dessen Kratzen ihm wie lustvolles Stöhnen in den Ohren klang, über den jungfräulich weißen Karton. Der längliche Kopf, die Schulter, die wohlgeformten Brüste, die fast jungenhafte Figur lebte auf, Körperpartie für Körperpartie, als drängte sie durch die weiße Haut des Kartons in die Wirklichkeit. Zum ersten Mal in seinem Leben ahnte Vasari, dass der Maler nicht der Schöpfer des Kunstwerkes ist, sondern nur das Medium zu seiner Erschaffung. Ja, Isabella hatte recht: Im Kampf gegen die Zeit sekundierte er dem Augenblick, den er mit seinen geschickten Händen zur Ewigkeit formte.
Gepolter, Gebrüll, das Bersten eines Riegels, Splittern von Holz, Schreie – eine einzige Welle von Lärm näherte sich wie eine Flutwelle unaufhaltsam und riss ihn gewaltsam aus dem Rausch des Schaffens. Schon sprang unter ihrer Gewalt die Tür auf, und vier bewaffnete Männer stürmten mit gezogenen Degen herein. Rasch streifte Isabella ihre Kleider über. Zwei der Männer packten sie derb. Sie wehrte sich nicht, sondern ließ es mit Würde und Verachtung für die gedungenen Schurken geschehen. Sollte sie sich denn wie eine Straßendirne balgen? Vasari verstand nicht, was vor sich ging, und fühlte sich wie gelähmt. Als die beiden Männer sie unter anzüglichem Gelächter aus dem Atelierraum schleppten, begegneten Isabellas Augen noch einmal denen Vasaris. Ihr Blick traf ihn wie ein Pfeil. Es ist vorbei, mein Freund, schienen ihre Augen zu sagen. Alles an ihr war ein Geheimnis, wie sie in sein Leben getreten war und wie sie ihm jetzt geraubt wurde. Vasari wollte ihr folgen, sie befreien, doch daran hinderten ihn zwei Degenspitzen, die auf seine Brust gerichtet waren.
»Aus dem Weg!«, schrie er die beiden verbliebenen Eindringlinge an, die ihn unbeeindruckt musterten. Drohend schwenkte er den Bleigriffel, den er immer noch in der Hand hielt, und begriff im selben Moment, wie lächerlich und vergeblich das war.
»Mach deinen Frieden mit Gott!«, riet ihm der eine fast gelangweilt.
»Wagt es nicht! Die Rache des Papstes wird euch treffen! Öffentlich wird man euch auf dem Campo dei Fiori bei lebendigem Leib vierteilen!« Vasaris Stimme überschlug sich.
»Der Papst?«, grunzte der andere höhnisch. »Du machst mir Spaß! Der Papst?« Der Meuchelmörder konnte sich vor Heiterkeit gar nicht mehr fassen, als hätte Vasari den besten Witz gerissen, den er je gehört hatte. Auf einmal fühlte der Architekt die Angst, die in ihm aufloderte und jeden Gedanken verbrannte. Er faltete die Hände wie zum Gebet. »Schont mein Leben! Ich gebe euch, was ihr wollt!«
»Was kannst du uns schon geben?«, winkte der eine ab.
»Es ist Zeit, für neue Menschen Platz zu
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