Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
machen«, sagte der andere.
Der Maler wollte seine Seele schon dem Allerhöchsten empfehlen, als Ascanio, den man offensichtlich niedergeschlagen hatte, mit blutigem Gesicht und einem Rapier in der Hand ins Zimmer taumelte. »Verrat! Flieht, Messèr Giorgio! Flieht!« Dann stürzte sich der alte Kämpfer mit einem verzweifelten Schrei auf einen der beiden Männer und wurde gleich darauf von dessen Rapier aufgespießt. Früher, als er noch jünger und ein ausgezeichneter Fechter gewesen war, hätten ihn die bravi nicht so einfach erstechen können, er hätte sie zum Teufel geschickt, dachte Vasari. Doch ihm blieb keine Zeit, um Ascanio zu betrauern. Von Todesangst getrieben, hastete er ins benachbarte Zimmer. Dort riss er eine Tapetentür auf und lief die Stiege hinunter. Er glaubte, im Nacken den Atem seiner Verfolger zu spüren. Er hatte dergleichen Abenteuer noch nie geschätzt, und inzwischen war er auch eindeutig zu alt dafür. Am Fuße der Treppe gelangte er in ein kleines Vestibül, das er durch eine Flügeltür wieder verließ. Er beschloss, über den Hof zu den Gemächern des Papstes zu laufen, aber ausgerechnet von dort kamen ihm zwei Bewaffnete entgegen, die ganz und gar nicht vertrauenerweckend wirkten. Zwei weitere riegelten den Korridor links und rechts des Hofes ab.
Was hatte das zu bedeuten? Weit und breit konnte er keinen Legionär der Schweizergarde entdecken, die für gewöhnlich hier patrouillierte. Vasari begriff, dass er seinen Mördern vollkommen ausgeliefert war. Er brauchte erst gar nicht darüber nachzudenken, wie er den Vatikanpalast lebend erreichen könnte. Die gedungenen Schurken würden ihn im Belvedere, in dem auch Turniere und Jagdspiele zur Belustigung des päpstlichen Hofes stattfanden, einfach niederstechen.
Die Mörder traten gemächlich aus der Tür der Villa. Sie hatten es jetzt nicht mehr eilig. Wozu auch? Ihre Kumpane schnitten Vasari vom Hof und von den Korridoren aus den Fluchtweg ab. Sie konnten sich Zeit lassen. Ihr Opfer saß in der Falle.
Wie Daunen sanken die Schneeflocken zur Erde und bedeckten den Boden mit einem weißen Flaum. Die Kälte drang durch Vasaris nur für das Atelier bestimmten Umhang aus gelb gefärbtem Leinen. Doch der Frost biss ihn nicht, er wiegte sich nur wohlig in den Knochen und stimmte Vasari schläfrig. Alles hätte so friedlich sein können. Vasari empfand es als zutiefst deprimierend, dass sein Leben auf eine solch klägliche Weise enden sollte. Er fühlte Mitleid mit sich und spürte, wie die Kraft, sich gegen das Unvermeidliche aufzulehnen, dahinschwand. Wenn es schon ans Sterben ging, dann wollte er es rasch und ohne Qualen hinter sich bringen. Ein heftiger Schmerz durchfuhr ihn bei dem Gedanken, dass er das wichtigste Bild seines Lebens nicht mehr malen konnte. Wie ungerecht die Welt doch war!
Ein letztes Mal wollte er den Schnee in den Händen halten. Er bückte sich. Guter, trockener Pulverschnee, nicht dieses nasse, harsche Zeug, das für gewöhnlich diesseits der Alpen lag, wenn es überhaupt einmal schneite. Beide Hände grub er zärtlich in die Wehe und erwartete den tödlichen Stoß, der von oben kommen, den Atlas durchschlagen und ins Herz dringen würde. Noch blieb er aus. Vasari erhob sich langsam und nahm Abschied vom Schnee. Er warf ihn in die Luft und beobachtete mit einem resignierten Lächeln, wie sich die Flocken tänzelnd in die Nacht begaben. Würde seine Seele auch so leicht sein, schwerelos vielleicht wie die Schneekristalle? Gleich würde er es wissen.
Der hohle Klang von Pferdehufen auf Marmor riss ihn aus seinen Gedanken. Rechts von ihm am Anfang der ausgedehnten päpstlichen Gartenanlage tauchte im Dunst plötzlich ein Schimmel auf, als sei er aus Schnee gemacht, die Beine, der Leib, der Kopf, die aufgestellten Ohren, der Dampf des Atems, nur die dunkle Mähne und den Schwanz steuerte die Nacht bei. Was er sah, kam ihm zunächst so unwirklich vor wie ein Gaukelspiel seiner verängstigten Sinne. Wie um zu bekräftigen, dass es tatsächlich vor ihm stand, wieherte das Tier. Vasari riss sich aus seiner Erstarrung, hastete zu dem Pferd, schwang sich keuchend in den Sattel und galoppierte entlang der Innenmauer davon. Von der Anstrengung lief er rot an und musste husten. Nur mühsam konnte er sich während des Anfalls, der ihn durchschüttelte, im Sattel halten. Die Meuchelmörder stürmten ihm nach, doch er hängte sie dank des Pferdes sogleich ab. »Teufel auch!« und »Merda!«, hörte er sie noch fluchen.
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