Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Gesellen vergnügen, dachte Vasari. Am nächsten Tag würden sie sich wieder vor Eifer überbieten, weil sie Schulden gemacht hatten, und ihn um einen Vorschuss anbetteln. Sollten sie! Er war nicht kleinlich, schüttelte aber doch den Kopf. Der Karneval war gerade vorüber, aber der Hunger des popolo auf Vergnügungen längst nicht gesättigt. Die Ewige Stadt glich wie immer einem Hexenkessel, in dem sich alle in Bewegung befanden, niemand aber vorankam, weil sich Hoffnungen und Handlungen der Menschen von jeher um den Vatikan drehten. Davon konnte er ein Lied singen, das von Dur in Moll und dann wieder zurück in Dur wechselte, um vielleicht als Scherzo oder als Requiem zu enden.
Nun fiel in dicken, schweren Flocken doch noch der Schnee, der in Rom ein eher seltener Gast war. In all den Jahren hatte er als Florentiner erfahren müssen, dass die Römer allen Ernstes glaubten, Gott selbst hätte ihre Stadt in den Mittelpunkt der Erde und somit des Weltalls gestellt. Und wie die Sonne um die Erde kreiste, so drehten sich die Bewohner Roms um den Papst in Sankt Peter, dessen halb fertiger Neubau sich über dem Grab des Apostels Petrus in den Abendhimmel streckte, ohne das Firmament auch nur zu berühren. Der Hauptbau mit den Vierungspfeilern, die einst die Kuppel tragen sollten, erinnerte in seiner unfertigen Rundheit leider nicht nur die boshaften Lutheraner an den Turmbau zu Babel. Vor dem Ehrgeiz, die größte Kirche der Christenheit zu errichten, duckte sich wie ein geprügelter Greis die alte Basilika, die Kaiser Konstantin vor über zwölfhundert Jahren gebaut hatte.
Giorgio Vasari, der leitende Architekt von Sankt Peter, kehrte erfrischt, aber nicht beruhigt von seinem Spaziergang ins Belvedere zurück und klopfte sich den Schnee vom Pelz.
»Es hat geschneit, Messèr Giorgio. Seht! Nur für Euch. Welch ein Wunder«, sagte Ascanio, als er ihm aus dem Mantel half.
»Zu viel der Ehre für mich. Ich bin nur ein armer Junge aus Arezzo.«
Der Architekt setzte sich auf einen Holzschemel und ließ sich von seinem Diener die schweren Lammfellstiefel ausziehen. Dann befahl er ihm, in der ganzen Villa Fackeln, Kerzen und Öllämpchen zu entzünden. Wie eine Sommersonne sollte sein Quartier in die Dunkelheit des Winters hinausleuchten.
Er warf einen Blick aus dem Fenster. Im Mondlicht glitzerte der Schnee, als bestünde er aus getriebenem Weißgold, das der Kunstschmied zu allem Überfluss noch mit unzähligen kleinen Brillanten bestreut hatte, schön und erhaben, aber auch kalt und tot. Doch Vasaris Knochen sehnten sich nach Sonne, nach Wärme, nach Leben und nach der Liebe. Aufgeregt wie ein Jüngling vor dem ersten Stelldichein, legte er seine Malutensilien in Erwartung ihres Besuchs zurecht.
Die Villa, die ihm Papst Gregor XIII. als Unterkunft zur Verfügung gestellt hatte, stand dem Borgia-Turm innerhalb der vatikanischen Mauern gegenüber und schloss den sogenannten Belvederehof ab, in dem zuweilen Vorführungen und Turniere stattfanden. Deshalb nannte man den lang gezogenen Rechteckhof auch teatro .
Während er in seiner Werkstatt bedächtig den Bleigriffel und die Rötelstifte auswählte, eilten seine Gedanken immer wieder zu ihr. Nur die besten Stifte kamen für die Zeichnung infrage, die schließlich als Vorlage für ihr Porträt dienen sollte. Als erfahrener Künstler wusste er, welches Wagnis er damit einging, sie zu malen. Wenn es ihm misslingen sollte, ihre Schönheit zu treffen, würde er die geliebte Frau mit dem Bildnis beleidigen und sich vor aller Welt für immer blamieren. Sein Ruf war inzwischen so groß, er selbst eine Institution geworden, dass die vielen Neider nur auf eine Chance warteten, um ihn zu schmähen. Wieder fühlte er sich wie ein Geselle, der sein Meisterstück noch abzuliefern hatte. Sollte diese Unruhe denn nie aufhören?
Mit dem Messer spitzte er die Rötelstifte an. Sie rochen ein wenig nach nasser Erde. Er liebte ihren Duft. Wie süchtig er danach war, in den Geruch der Farben einzutauchen, weil er ihn an eine andere, eine bessere, eine von ihm geschaffene Welt erinnerte. Während er die Spitzen der Stifte prüfend gegen das Licht hielt, trat sie wie ein Trugbild der Sinne vor seine Augen. Er glaubte plötzlich, das Flüstern ihrer Stimme zu hören und ihren betörenden Duft in der Nase auszumachen.
Lag es wirklich erst eine Woche zurück, dass sie sich zum ersten Mal begegnet waren? Er hatte das Gefühl, sie schon ewig zu kennen, obwohl sie ihn immer wieder von Neuem
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