Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
verabscheute. Das konnte doch ein Anfang sein! Bramante erwog, seine Abneigung zu überwinden und den Mönch um Absolution zu bitten – was für die Huren das Geld, war für die Priester die Beichte.
»Donato, komm zu Uns und schau dir an, was Unser junger Freund hier Außergewöhnliches vollbracht hat«, rief ihm Julius entgegen und winkte ihn ungeduldig zu sich. Ja, so war der Papst, immer eilig, immer hastig. Um all das zu verwirklichen, was er sich vorgenommen hatte, hätte er drei Menschenleben benötigt.
Nun hob auch Michelangelo den Kopf und sah Bramante an, verzog aber keine Miene. Der Architekt trat neben den Papst und betrachtete die Rötelzeichnung.
»Es wird das größte und schönste Mausoleum, das jemals erbaut wurde!«, verkündete Julius mit einem schwärmerischen Ausdruck in den Augen.
»Und das jemals erbaut werden wird«, fügte Michelangelo bar aller Bescheidenheit hinzu.
Mit einem Blick erfasste Bramante die Zeichnung und erkannte den Angriff. Auch wenn die Abmaße nicht im Einzelnen angegeben waren, so erschloss sich seinem geübten Auge allein schon aus den Verhältnissen der einzelnen Elemente zueinander ein Eindruck von der Größe des Bauwerks. Was er vor sich sah, war in der Tat nichts Geringeres als ein Gebäude, das die Dimension einer Grablege oder einer Memoria bei Weitem übertraf.
Von der Form her erinnerte ihn Michelangelos Entwurf an das antike Mausoleum des Augustus, das er bei seinen Erkundungsreisen zu den römischen Altertümern entdeckt und vermessen hatte. Dieses Grabmal für Julius II. überragte das augusteische um zwei Stockwerke und schien auch wesentlich breiter und länger zu sein. Dies war der Plan eines Architekten, nicht der eines Bildhauers!
Bramante fühlte sich hin- und hergerissen zwischen heftigem Zorn und tiefer Bewunderung. Dieser dreiste Bursche aus Florenz hatte den Auftrag für das Grabmal benutzt, um einfach in seine Domäne einzubrechen! Niemand außer Bramante selbst begriff das.
»Nun, es ist groß, sehr groß«, begann er mit aller Vorsicht. »Wo soll es denn aufgestellt werden?« Die Gestaltung in dem Moment infrage zu stellen, in dem der Papst sich gerade in den Entwurf verliebt hatte, wäre ungemein töricht gewesen, und Bramante war alles andere als dumm.
»In Sankt Peter natürlich!«, fuhr ihn Julius vorwurfsvoll an, weil er nach dem Selbstverständlichsten fragte. »Auch wenn Frà Giacomo nicht gerade begeistert davon zu sein scheint.« Julius duldete den jungen Dominikaner in seiner Nähe, weil er kein Schmeichler war, sondern seine Meinung kundtat, selbst dann, wenn sie dem Pontifex nicht behagte.
Deshalb sagte Giacomo ungerührt: »Es dient der Verherrlichung des Glaubens, wenn in Eurem Grabmal, Heiliger Vater, Moses und Paulus gefeiert werden, der alte und der neue Gesetzgeber. Aber wozu die ganzen heidnischen Verzierungen hier unten? All diese lasterhaften Siegesgöttinnen und die Nackten zu ihren Füßen und an den Pilastern. Die Leute sollen in der Kirche Andacht halten und nicht masturbieren!«
Bramante musste ein Lachen unterdrücken. Gar nicht so übel, wenn das Mönchlein gegen das Mausoleum stänkerte, auch wenn es vergeblich war. Umso leichter wäre es für ihn, sich mit dem Dominikaner zu verbünden. In seinen Augen war Frà Giacomo ein wunderbar konsequenter Orthodoxer, einer, der sich sehr gut benutzen lassen würde, wenn man auf seiner Klaviatur zu spielen verstand. Menschen mit Grundsätzen, auch wenn sie dabei dogmatisch und verbohrt waren, mochte Bramante dann leiden, wenn sich ihre Konsequenz mit Intelligenz verband. Nur die Dummen verachtete er, ob mit Grundsätzen oder ohne.
Michelangelos Augen funkelten zornig, und Bramante hoffte, dass der sich zu einem Fehler hinreißen ließ. »Ich verstehe Euch ganz und gar nicht, Frà Giacomo«, sagte der junge Bildhauer, der sich offensichtlich nur mühsam beherrschte. »Öffnet die Augen, und seht, was da ist, nicht das, was Ihr sehen wollt. Blickt doch aus Eurer Enge einmal auf zu Gottes herrlicher Vielfalt! Dann werdet Ihr auch den Sinn erkennen: Die Viktorien zeigen den Sieg, den der Heilige Vater über den Unglauben errungen hat. Zu ihren Füßen liegen die unterworfenen Provinzen in Gestalt der nackten Figuren und der Gefangenen, die Ihr hier am Pilaster gefesselt seht. Und da dieser Sieg zeitlos ist, darf ich die Besiegten nicht mit der Mode einer Zeit behängen. Alles andere würde die Majestät des Stellvertreters Christi mindern. Denn so wären seine Siege
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