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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Rapier beiseite und setzte sich neben ihn. Ihre Wangen färbten sich rosig vor Neugier und Konzentration.
    »Bis heute weiß niemand, wie sie gebaut ist. Bis heute hat es niemand fertiggebracht, ein solches freitragendes Gewölbe zu errichten«, erklärte Bramante.
    »Ich habe gehört, dass auch der Dom zu Florenz eine riesige Kuppel hat. Das sagen zumindest die Florentiner«, wandte Imperia ein.
    »Ach, das sind doch alles Lügner. Aber selbst wenn sie es nicht sind, wissen sie es nicht besser. Dieser Fuchs Brunelleschi hat ihnen zwar eine Kuppel nach Art der Alten verkauft, aber eben nur äußerlich. Inwendig ist es eine normale gotische Kuppel. Mit einem Gerippe errichtet und daher nicht freitragend.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Imperia und rieb ihre Wange an Bramantes Schulter.
    »Ich zeige es dir«, sagte er, zeichnete einen großen Bogen und schrie plötzlich auf, weil ein stechender Schmerz sein rechtes Handgelenk durchfuhr. Er schaute auf seine Hand, die langsam anschwoll und sich rot verfärbte. Die Schwellung glänzte, als habe man sie mit Olivenöl eingerieben.
    »Was ist mit dir?«, fragte Imperia besorgt.
    Bramante wusste, was es war, und er wurde traurig. Er kannte diese heimtückische Krankheit. Wie sollte er mit einer kranken Hand zeichnen, und wie sollte er, ohne zeichnen zu können, Architekt sein? Er stöhnte auf.
    »Was ist? Was ist?«, rief Imperia und nahm sein großes Gesicht liebevoll in ihre zarten Hände.
    »Die Gicht«, murmelte er leise.
    Imperias Blick zeigte so viel Mitgefühl, dass Bramante sogleich die schreckliche Krankheit vergaß – für diesen Ausdruck in ihren Augen nahm er die Schmerzen gern in Kauf.
    »Ich bin eben ein alter Mann«, seufzte er.
    »Du und ein alter Mann. Denk an den Papst, der ist ein alter Mann!«
    »Wir sind im gleichen Jahr geboren«, sagte Bramante.
    Imperia ließ sich ihre Überraschung nicht anmerken. »Und? Was macht das schon?«
    »Zieh bei mir ein, und lebe mit mir«, sagte Bramante. Ihr Mitgefühl hatte ihn kühn werden lassen.
    »Niemals! Gott ist mein Zeuge, Donato, ich liebe dich, aber keinem Mann werde ich meine Freiheit opfern. Wir haben beide keine Zeit zu verschenken. Du nicht, weil du das größte Bauwerk der Welt zu errichten hast, und ich nicht, weil ich genügend Geld verdienen muss, um meinen Lebensabend und das Auskommen meiner Tochter abzusichern.«
    »Was mir gehört …«, setzte Bramante an, doch Imperia verschloss mit ihrer Hand seinen Mund.
    »Du hast mir nicht zugehört. Von dir nehme ich kein Geld!« Ihr Atem machte ihn wohlig schaudern, als sie sich noch näher zu ihm neigte und ihm ins Ohr flüsterte: »Dich liebe ich.«
    Bramante wollte sie an sich ziehen, doch sie wehrte ihn ab, stützte das Kinn auf die Hände und sagte: »So, und jetzt erkläre mir endlich, was es mit diesem verdammten Pantheon und der Kuppel auf sich hat!«

17

    Rom, Anno Domini 1505
    Wenige Tage darauf erschien ein päpstlicher Bote bei Bramante und teilte ihm mit, dass Julius II. ihn sogleich zu sehen wünsche. Auf dem Weg zum Vatikan dachte der Architekt unentwegt darüber nach, was wohl der Anlass dafür sein könnte.
    Der Papst empfing ihn in der Stanza della Segnatura, die ihm als Bibliothek und Studierzimmer diente. Als Bramante in den Saal trat, beugte sich Julius über eine große Zeichnung, die auf einem mächtigen Holztisch ausgebreitet lag. Neben ihm stand der unverschämte junge Bildhauer aus Florenz, über dessen anmaßendes Wesen sich Bramante schon im Bordell der Petronilla geärgert hatte. Auf der anderen Seite des Tisches standen Sangallo und Frà Giacomo, der Erzpriester von Sankt Peter. Bramante hatte ihn bisher nur zwei- oder dreimal flüchtig gesehen und sogleich eine instinktive Abneigung gegen ihn gefasst. Bisweilen war ihm, als sei er dem Dominikaner auch außerhalb von Rom schon einmal begegnet, er konnte sich aber nicht an Ort und Stunde des Zusammentreffens erinnern. Jedenfalls war Vorsicht angeraten, dachte Bramante, auch wenn den Erzpriester ein Engelsgesicht zierte.
    Als er eintrat, schaute Julius von der Zeichnung auf. Seine Gesichtszüge waren entspannt, und in seinen Augen zeigte sich eine naive, kindliche Freude, die kaum jemand dem kriegerischen Papst zugetraut hätte. Bramante aber kannte ihn besser. Er wusste, dass sich Giuliano della Rovere bis ins Alter und auch als Papst die Fähigkeit bewahrt hatte, sich frei, offen, vorbehaltlos wie ein Kind über gewisse Dinge zu freuen, zumeist über solche der

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