Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Papst wirklich gut.
»Aber«, fuhr der Architekt fort, »ich habe mir den Westchor angesehen. Warum nutzen wir den Ausbau nicht, um notwendige Reparaturen am Dom vorzunehmen, Instandsetzungen, für die bisher kein Geld da war?«
Damit sprach Bramante dem Erzpriester aus der Seele, denn Sankt Peter war in der Tat baufällig, manche Mauern waren inzwischen über zehn Ellen aus dem Lot geraten und ähnelten eher einem Bogen als einer Wand. Sie bogen sich wie Pappeln im Sturm und konnten jederzeit einstürzen.
»Was kann ich dabei tun?«, fragte Giacomo vorsichtig.
»Zwei Dinge: Schweigt, wenn ich das Mausoleum lobe, und unterstützt mich, wenn ich vorbringe, dass wir Reparaturen am Mauerwerk vornehmen müssen, wenn wir den Westchor bauen und an den Dom anschließen wollen. Dadurch gewinnen wir wertvolle Zeit, bis sich das Vorhaben von selbst erledigt hat, weil der Geist unseres verehrten Papstes sich in ein anderes Projekt verliebt hat.«
»Welche Sicherheit habe ich, dass Ihr auch meint, was Ihr sagt?«
»Ihr habt die Wahl: helft oder lasst es. Gott zum Gruß, mein frommer Bruder.«
Damit stieg Bramante ächzend aus dem Beichtstuhl und ließ einen unschlüssigen Giacomo zurück. Der Dominikaner wusste nicht, was er von dem Angebot dieses Heiden zu halten hatte. Ein Impuls trieb ihn, Bramante zu folgen. Er sah sich nach allen Seiten um, als er durch das Langhaus eilte, entdeckte ihn aber nicht. Dann stieß er die schwere Bronzetüre der Porta Romana auf und trat auf den Innenhof hinaus. Als er im Dämmerlicht neben dem Pinienapfel Bramantes gedrungene Gestalt ausmachte, beschleunigte er seinen Schritt und rief den Namen des Baumeisters. Dieser blieb stehen und wandte sich um. Am liebsten wäre Giacomo gerannt, doch verbot ihm das die Würde des Ortes. Als er endlich die fünfzig Fuß, die ihn von Bramante trennten, überwunden hatte, war seine Entscheidung gefallen.
»Ich bin einverstanden. Aber wenn Ihr mich hintergeht, dann werdet Ihr das bitter bereuen. Sehr bitter. Jeder Teufel würde im Vergleich zu mir barmherzig sein!«
Den letzten Satz hatte Giacomo sehr ruhig, fast geschäftsmäßig ausgesprochen. Fast schien ihm, als sei Bramante unter dem Eindruck seiner Drohung zusammengezuckt. Die beiden Männer standen allein in der Mitte des von einem Kreuzgang umgebenen Atriums der Peterskirche. Aus den Fenstern der Canonica, dem Palazzo des Erzpriesters, und aus dem Vatikanpalast selbst drang Licht in den Hof.
Der Baumeister lächelte breit und legte seine Hand auf den linken Unterarm des Dominikaners, der seine Hände nach Art der Mönche vor dem Körper wechselseitig in die Ärmel der Kutte geschoben hatte.
»Mir liegt selbstverständlich nur das Wohl der Kirche am Herzen«, sagte er und gab sich keine Mühe, seine Heuchelei zu verbergen. Giacomo stockte der Atem, als sein Blick auf den Ring an Bramantes Hand fiel – es war der Ring seines Vaters! Sein Herz fühlte sich an, als sei es mit feurigen Lederriemen gefesselt, stumpf und heiß. Er hatte geahnt, wenn nicht gewusst, dass Bramante den Ring damals bei dem Leichnam Pico della Mirandolas gefunden hatte. Aber das Familienheiligtum an dem dicken, behaarten Finger dieses bulligen Heiden zu sehen verletzte ihn dennoch in tiefster Seele.
»Woher habt Ihr diesen Ring?«, fragte er heiser und so beiläufig wie möglich.
»Von einem, der sich auf dem Weg in den Himmel befand. Aber sein Besitzer war nicht der Sterbende, sondern der, der ihn ermordet hatte«, entgegnete Bramante. »Wisst Ihr etwa, wer es war?«, fügte er mit dem Anflug von Hoffnung in der Stimme hinzu. »Ich suche schon so lange nach diesem Hundsfott!«
»Bedaure, ich kenne den Besitzer des Ringes nicht!«, beeilte sich Giacomo zu beteuern. »Wie kommt Ihr darauf, dass ich einen Mörder kenne?«
Bramante nickte resigniert. »Überlegt einmal, wo Ihr lebt, und dann sagt mir, wie Ihr es fertigbringt, den Mördern aus dem Weg zu gehen. Ich kann es jedenfalls nicht.« Er lachte laut und bitter auf. »Vielleicht seid Ihr ja der einzige Unschuldige im Vatikan. Ihr – und der Papst natürlich.« Damit ließ er den Dominikaner stehen.
In Gedanken versunken, blickte Giacomo ihm lange nach, selbst dann noch, als Bramante längst durch die Porta den Vorhof der alten Basilika verlassen hatte. Dann wandte er sich langsam um und ging zurück in den Petersdom. Der vertraute Anblick der lieben alten Kirche machte ihn wieder etwas ruhiger. Seine Augen hefteten sich auf den von einem Rundbogen gekrönten
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