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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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darauf zu verwerfen und ihn wenig später erneut zu fassen. So ging es immer im Kreis herum. Er fürchtete schon um seinen Verstand. Eine solche Unentschlossenheit kannte er nicht an sich, und sie irritierte ihn. Er war nie ein Mann des Zweifels gewesen, sondern stets einer der Tat. Inzwischen hatte er über eine Stunde vergeudet, weil er mehrmals umgekehrt war, um den Weg dann doch wieder fortzusetzen.
    Als er endlich vor Imperias Palazzo unweit des Petersdomes stand, überfiel ihn wieder ein Staunen über das prächtige Gebäude. Über der großen zweiflügeligen Pforte erhob sich ein auf vier Säulen ruhender Portikus mit einem Architrav, auf dem Instrumente wie Laute, Flöte und Geige gemalt waren. Der Fries verbreitete Fröhlichkeit. Bramante hob die Hand, um an der Klingelkette zu ziehen, verharrte dann aber mitten in der Bewegung und hielt die Faust unschlüssig in die Luft. Seine Blicke wanderten zur Basilika von Sankt Peter mit ihrem hoch aufragenden Dach. Davor standen wie Wachtürme die beiden Glockentürme von Santa Maria in Turri, die gemeinsam mit der Benediktionsloggia die Eingangsfront des Atriums bildeten.
    »In drei Teufels Namen«, murmelte Bramante und zog an der Klingelkette, »es soll sein!«

21

    Rom, Anno Domini 1505
    Die hellen Klingeltöne kamen ihm wie ein spöttisches Gekicher vor. Ein muskulöser Mann öffnete Bramante die Tür von Imperias Palazzo und begleitete ihn ins Vestibül. Mit dem goldenen Ring im linken Ohr erinnerte er ihn an einen Söldner; sicher war er auch in der Handhabung von Waffen erfahren. Bramante pries innerlich Imperias Wahl, denn dieser Landsknecht dürfte ihr als Lakai und als Leibwächter wertvolle Dienste leisten.
    Der Mann stellte sich als Ascanio vor. Bramante wollte sich ebenfalls vorstellen, doch Ascanio winkte höflich ab. »Nicht nötig, Messèr Donato.« Was heißen sollte, dass er ihn kannte. Bramante wusste nicht recht, ob ihm das gefiel.
    Vor ihm schwang sich eine große Freitreppe zum piano nobile hinauf. Goldene Kerzenhalter hingen an den Wänden, die mit Tapeten aus kostbarem Damast verkleidet waren. Imperia musste sehr reich sein, dachte Bramante. Dieses Gebäude hätte jedem Kardinal Ehre gemacht.
    Helles, unbeschwertes Gelächter, das eines Mädchens und das einer jungen Frau, drang an sein Ohr. Kurz darauf erschienen Imperia und ihre zehnjährige Tochter auf der Treppe. Sie schienen Haschen zu spielen, denn Imperia lief fort, während die Kleine versuchte, sie einzuholen. Am Treppenansatz gelang es ihr endlich. Lachend fielen sie einander in die Arme. Dann hakte sich das Mädchen bei Imperia ein, und Arm in Arm schritten sie, übermütig wie ausgelassene Freundinnen, die Treppe hinab. Imperia sah Bramante fröhlich an. So frei, glücklich und gelöst hatte er sie selbst in ihren schönsten Augenblicken nicht gesehen. Der melancholische Schleier, der sonst über ihren Augen lag, war verschwunden. Wie sehr gönnte er ihr dieses Glück! Und wie sehr hätte er sich gewünscht, daran teilzuhaben. Die begehrteste Kurtisane von Rom wirkte wie eine keusche Jungfrau, wie die ältere Schwester des Mädchens. Man hätte die beiden für höhere Töchter aus gutem Hause halten können.
    »Ah, Donato«, sagte Imperia freundlich, »schau her, das ist meine Tochter Lucrezia.«
    Das Mädchen musterte ihn neugierig mit ihren großen taubenblauen Augen. Die Unbefangenheit ihres Blicks verriet ihm, dass Imperia ihrer Tochter noch nie einen ihrer Freunde oder Gönner vorgestellt hatte. Die Ehre und das Vertrauen, das ihm die Geliebte entgegenbrachte, rührten ihn. Er schwor sich im Stillen, es niemals zu missbrauchen, als Lucrezia das Wort an ihn richtete.
    »Schade, dass ich zurückmuss, sonst könntet Ihr mir eine Geschichte erzählen.«
    »Lucrezia liebt Geschichten über alles. Geschichten, Geschichten und immer mehr Geschichten müssen es sein«, erklärte die liebende Mutter stolz.
    »Ihr seht aus, als ob Ihr viele Geschichten kennt«, sagte das Mädchen.
    »Wie kommst du darauf, mein Kind?«, fragte Bramante und riss zum Spaß verwundert die Augen auf.
    »Weil Ihr schon so alt seid.«
    Die Worte versetzten Bramante einen Stich ins Herz. Er war wahrlich schon recht alt, im Vergleich zu ihr sogar uralt. Doch Lucrezia ließ ihm keine Zeit zum Nachdenken, sondern fuhr mit heller Stimme fort.
    »Es muss sehr schön sein, so alt zu sein und so viele Geschichten zu kennen.«
    Bramante musste unwillkürlich lächeln. Sicher, Erfahrung wog viel und beglückte und

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