Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
warten musste. Bramante kannte diese unverschämten Leute, die glaubten, dass ihre adlige Geburt sie dazu berechtigte, sich als etwas Besseres zu dünken. Ihm gefiel dieser ganze Auftritt nicht. Dann kam ihm ein tröstlicher Gedanke. Im Moment ihres Todes wären diese Leute bereits vergessen, während man von ihm in hundert, in tausend Jahren noch reden würde. In diesem Augenblick liebte er Imperia wieder für ihren Mut, für ihren unbeugsamen Willen. Das war es, was sie verband, dieser unabdingbare Vorsatz, trotz widriger Lebensumstände aufzusteigen. Die Welt begann mit ihnen!
Er trat neben sie und reichte ihr den Arm. Hinter ihnen fuhr die Kutsche ab und machte den Weg frei für die anderen Gäste. Bramante und Imperia schritten durch den länglichen, von Fackeln erleuchteten Hof. Im Eingang des Hauses stand eine Gruppe Bläser, die Weisen von Tromboncino erklingen ließen. Bei der Frottola kam Bramante der Text in den Sinn: »Wenn ich nun nicht zeigen darf das Feuer meiner bittren Qual …« Wie sinnreich, dachte er.
Im Erdgeschoss waren die Stallungen und Geschäftsräume von Chigis Bankenimperium untergebracht. Sie betraten eine gewölbte Halle, von der eine schmale Treppe zum piano nobile , zum Wohnbereich des Bankiers, hinaufführte. Es war bekannt, dass Agostino Chigi nur über beengte Räumlichkeiten verfügte, die sich eigentlich nicht für Feiern eigneten, doch dafür entschädigte die glanzvolle Gesellschaft reichlich. Die ersten Namen Roms waren versammelt, die wichtigsten Leute aus Klerus, Politik, Diplomatie, Aristokratie, Wissenschaft, Literatur und Kunst. Zudem wurden die Sinne der Gäste von vorzüglichen Musikern, erlesenen Speisen und großen Weinen verwöhnt.
Bramante hatte erfahren, dass es bei diesen Räumlichkeiten nicht bleiben würde. Wie ihm seine Informanten zugetragen hatten, hatte Chigi in Trastevere ein Grundstück mit einem alten Palazzo erworben, den er demnächst auszubauen gedachte. Zu Bramantes Leidwesen hatte er einen jungen, noch unbekannten Architekten aus seiner Heimat Siena mit der Planung und Ausführung beauftragt. Baldassare Peruzzi hieß der unerwünschte Konkurrent. Für Bramante kam es inzwischen einer Beleidigung gleich und bedeutete zugleich ein Warnsignal, wenn ein Großauftrag nicht zuallererst ihm angeboten wurde. Schließlich war er es doch, der entschied, ob er einen Auftrag annahm oder ihn an all die Sangallos weitergab. In den gut fünf Jahren, die er nun in Rom weilte, hatte er sich diese beherrschende Stellung auf dem Baumarkt der Ewigen Stadt mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln hart erkämpft.
Der Architekt hatte kaum mit Imperia den ersten Saal des piano nobile betreten, da stürzte auch schon der dicke Kardinal de Medici auf sie zu. Sein liebenswürdiges Lächeln machte sein aufgedunsenes Gesicht vergessen.
»Donato, ich hatte gehofft, Euch hier zu sehen!«
Bramante und Giovanni de Medici verband das Geheimnis, dass sie beide den Fedeli angehörten, auch wenn es den Bund nicht mehr gab.
»Eminenz«, sagte der Architekt und deutete eine Verbeugung an.
Doch der Kardinal hatte sich schon Imperia zugewandt. »Seid gegrüßt, Madonna Imperia.«
Bramante staunte immer wieder über den Sohn des großen Lorenzos. Auf andere Art hässlich als sein Vater, hatte er doch dessen hinreißende Ausstrahlung geerbt. Wenige Worte genügten, und man hatte die plumpe Figur des beleibten Mannes vergessen. Dabei zählte er noch keine dreißig Jahre.
»Verzeiht, Madonna, ich habe nicht vor, Euch zu langweilen, was eine Sünde bedeutete und mir den Fluch und die Maulschellen der Engel einbrächte, aber ich will mit dem teuren Donato über das Bauen sprechen.«
Worüber sonst, dachte der Architekt. Der Kardinal bewohnte einen zwar recht geräumigen, aber eher etwas unbequemen Palazzo im Rione Sant’ Eustachio, in der Nähe der Piazza Navona. Er trug sich ständig mit Umbauplänen, allein, es mangelte ihm am Geld für deren Verwirklichung. Seit der Vertreibung seiner Familie aus Florenz war das Oberhaupt des Hauses Medici auf Schritt und Tritt vom Bankrott bedroht. Als Kardinal war er gezwungen, zu repräsentieren und große Feste zu geben, obwohl ihm die finanziellen Mittel dafür fehlten. Wollte er seine Familie wieder zu altem Glanz bringen und nach Florenz zurückführen, kam er nicht umhin, seine Macht ständig zu erweitern. Ein unverzichtbares Mittel dafür bestand für ihn in der Prachtentfaltung, also darin, verstörend schöne Feste zu geben, über die
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