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Die kuriosesten Faelle vor Gericht

Die kuriosesten Faelle vor Gericht

Titel: Die kuriosesten Faelle vor Gericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Schlegel
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es wäre, komplizierte Urteile der deutschen Justiz tatsächlich in einem einzigen Satz mit allen verständlichen und nachvollziehbaren Gründen erfahren zu können. Doch ob dies dann wirklich so aussehen sollte, wie das Urteil, das Sie eben lesen konnten? Ein Satz mit 370 Worten, sicher ein Kunststück. Ob es angesichts des Inhalts auch ein „gelungenes“ Kunststück ist, darüber mag sicher gestritten werden.
     
    ***
     
     

Der bissige Hund
     
     
    Einen Fall, bei dem man sich wieder sehr gut selbst die Frage stellen kann, wie man an der Stelle des Richters entschieden hätte, liegt in den Archiven des Landgerichts in Bückeburg unter dem Aktenzeichen 2 O 277/96. Stellen Sie sich vor, Sie wären Richter oder Schöffe in einem Prozess und hätten über einen Sachverhalt wie diesen zu richten:
     
    Es ist Vorweihnachtszeit, die Geschäfte sind weihnachtlich dekoriert und aus den Eingängen der Geschäfte und Supermärkte dringt weihnachtliche Musik zu den vorbeigehenden Passanten in der Fußgängerzone. In eben jener vorweihnachtlichen Zeit spazierte eine Frau, nennen wir sie der Einfachheit halber und zum Fest passend „Maria“, durch die abendliche Fußgängerzone. Mit sich führte sie ihren Hund, der bei dieser Gelegenheit gleich sein Geschäft verrichten sollte. Ohne erkennbaren Grund warf sich der Hund, ein Rüde, plötzlich neben einer mit Weihnachtsbeleuchtung dekorierten Laterne in der Fußgängerzone auf den Boden und jaulte. Als sich Maria besorgt zu ihrem Hund herunter beugte, um nach ihm zu sehen, biss dieser plötzlich und unerwartet zu. Die Bisse waren dabei so heftig, dass sie sich an beiden Händen mehrere schwere Wunden und Quetschungen zuzog. Der Mittelfinger wurde bei diesem Vorfall derart in Mitleidenschaft gerissen, dass er seither nicht mehr gebrauchsfähig ist. Maria war derart schwer schockiert, dass sie daraufhin eine Elektrofirma damit beauftragte, den Mast näher zu untersuchen, da sie annahm, der Hund habe durch die Weihnachtsbeleuchtung einen Stromschlag erlitten. Tatsächlich stellte die beauftrage Elektrofirma fest, dass durch die Nässe eine undichte Stelle am Kabel dieser dekorativen Beleuchtung den Boden in der näheren Umgebung unter Strom gesetzt haben könnte und der Hund dadurch den Stromschlag erlitten habe, in dessen Folge er sein Frauchen so unerwartet biss. Maria sah die Stadt als Betreiberin der dekorativen Weihnachtsbeleuchtung in der Haftung und verlangte Schadenersatz in Höhe von 1.000 DM. Immerhin trage sie die Sorgfaltspflicht für die Sicherheit der von ihr eingesetzten Lichtanlage und müsse deshalb auch regelmäßig prüfen, ob sich derartige Unfälle mit so schweren Folgen ereignen könnten.
     
    Die Stadt als beklagte Partei argumentierte in dem Fall, dass die eingesetzte Anlage grundsätzlich ungefährlich sei. Nicht nur seien selbst bei einem kleinen defekt Menschen am Kabel nie gefährdet gewesen (tatsächlich eine physikalische Unmöglichkeit durch die Schuhe, die in einem solchen Fall Passanten schützen würden) und zum Anderen urinierte der Hund so ungünstig gegen das Kabel, dass er dadurch einen Stromschlag erlitt. Hätte die Klägerin darauf geachtet, dass der Hund nicht gegen das Stromkabel uriniert, hätte sich dieser Unfall erst gar nicht ereignen können. Somit können die Stadt nicht haftbar gemacht werden, wenn die Klägerin und Hundehalterin ihre Aufsichtspflicht gegenüber dem Haustier verletze und dieses dann einen solchen Unfall erleide. Sollte das Kabel defekt gewesen sein, so habe dies nicht vorhergesehen werden können, da die Beleuchtung funktionierte und somit kein Verantwortlicher sehen konnte, dass das Kabel eventuell beschädigt war. In jedem Fall kann also der Stadt nichts vorgeworfen werden, da sie alle „Verkehrssicherheitspflichten“ (so heißt das im Juristen-Deutsch) erfüllt habe.
     
    Nun liebe Leser, wie würden Sie entscheiden in einem solchen Fall und wie denken Sie, hat das Gericht entschieden? Trägt die Stadt wirklich die Haftung, wenn ein Hund gegen ein Kabel uriniert und daraufhin einen Schlag erhält, in dessen Folge er sein Frauchen beißt? Oder war die Hundehalterin Schuld, da sie ihren Hund einfach gegen eine Laterne hat urinieren lassen, um die eine elektrische Dekoration zum Weihnachtsfest angebracht war? Muss man tatsächlich jeden Zentimeter eines Kabels überprüfen, wenn man nach dem Einschalten des Stromes sieht, dass die Anlage funktioniert; ja, hätte man überhaupt einen Anlass dazu, wenn sich

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