Die Lady mit der Feder - Roman
Liebste.« Mit einem lauten Ausruf schlug er seinem Pferd auf die Kruppe.
Sie jagte mit ihrem Schimmelhengst hinter ihm her. Nun wusste sie, dass sie ihren Weg, wohin auch immer, gemeinsam gehen würden.
EPILOG
D ie Königin sah viel älter aus als auf dem Porträt im Arbeitsraum der Äbtissin. Aber die tiefen Furchen, die das Alter und die fast ein Dutzend Jahre währende Kerkerhaft in ihrem Antlitz hinterlassen hatten, vermochten ihrer Eleganz und Würde nichts anzuhaben, die ihr als begehrenswertester Frau Europas in die Wiege gelegt worden waren, ihr, der Gemahlin zweier Könige und Mutter eines gekrönten Sohnes, die - falls ihre Söhne nicht durch Verrat innerhalb der Familie oder bei der Verteidigung des Territoriums der Plantagenets umkamen - erleben konnte, dass noch ein zweiter Sohn gekrönt wurde.
In einem kleinen Gemach in Bayeux jenseits des Kanals sitzend, las sie die Seiten, die Isabella aus den Ruinen der Kathedrale von Lincoln geborgen hatte. Ihre unbewegte Miene weckte in Isabella Zweifel, ob es für Königin Eleanor unerwartet kam, auf diesen Seiten das Verdammungsurteil über ihre zwei überlebenden Söhne und deren ehrgeizige Träume zu lesen.
»Der Teufel hat sie alle im Griff.« Die Königin ließ die Seiten auf ihren Schoß sinken. »Doch wenn ich Richard mit diesem Beweis seiner Torheit konfrontiere, wird er sich gewiss anders besinnen. Schließlich sollte er nicht mehr zu lange warten müssen, um alles Gewünschte zu erlangen. Vielleicht wird er dann entdecken, dass Geduld eine Tugend ist, die kein König von seiner Umgebung erwarten kann.«
Isabella versuchte ihr Erschrecken zu verbergen. Sie wusste, dass König und Königin einander verabscheuten, doch
hatte sie nicht geahnt, dass Königin Eleanor glaubte, ihre beiden Söhne wären Gegner. »Ihr habt mir gut gedient, Lady Isabella.« Die Königin lächelte, und die Zeit fiel ab von ihr und enthüllte die schöne Frau, die sie gewesen war. »Soviel ich weiß, Lord le Courtenay, habt Ihr meine Lady von St. Jude’s Abbey gebeten, ganz besondere Gelübde mit Euch zu tauschen.«
Jordan beugte das Haupt vor der Königin. »Mit Eurer Erlaubnis, natürlich.«
Das Lächeln der Königin wurde wärmer, und Isabella fiel ein, was sie vom Liebeshof der Königin in Poitiers gehört hatte, an dem Männer und Frauen sich der Musik, der Dichtung und der Kunst des Werbens hingaben. Wenn sie Jordan in seiner schönsten, roten, mit Goldfaden bestickten Tunika vor sich sah, konnte sie sich ihn gut inmitten der Pracht des Liebeshofes vorstellen.
»Ihr verdient für Eure Dienste eine Belohnung, Mylord, doch scheint mir, Ihr seid bereits belohnt worden, nach dem liebevollen Blick zu urteilen, mit dem ihr Lady Isabella anseht. Wenn Ihr die Hand meiner Lady wollt, dann habt Ihr meine Erlaubnis, sie als Eure Lady Isabella zur Gemahlin zu nehmen.«
»Ich könnte mir keine schönere Belohnung denken.«
Die Königin erhob sich. »Und Ihr, Lady Isabella, verdient ebenso eine Belohnung.«
»Euch zu dienen und damit weitere Kämpfe zu verhindern ist die größte Belohnung, die ich mir wünschen könnte.« Sie lächelte Jordan zu. »Oder fast die größte.«
»Wie Ihr wollt.« Die Königin deutete auf eine Tür, die jener gegenüberlag, durch die sie eingetreten waren. »Bitte, geht
dort hinaus, damit Ihr nicht zufällig dem König begegnet. Er wäre nicht erfreut, eine meiner Damen aus der Abtei hier in Bayeux zu sehen, und ich möchte Euch nicht seinem Missfallen aussetzen.«
Nach einer neuerlichen Verbeugung verließ Isabella mit Jordan den Raum, begleitet vom Geraschel der Papiere, als die Königin sich wieder ihrer Lektüre widmete. Isabella griff nach seiner Hand. Im Vorraum nahm er sie in seine Arme und forderte ihren Mund.
Ein leises Lachen trennte sie, und Isabella sah eine Frau eintreten. Ihr einst goldenes Haar war unter einem schlichten Schleier silbern durchsetzt. Groß und schlank, hielt sie sich ganz aufrecht, wiewohl sie am Stock ging.
»Allmächtiger!«, stieß Jordan hervor.
Isabella brachte kein Wort heraus, als sie vortrat. Eine vage Erinnerung aus ihrer längst vergangenen Kindheit bestätigte ihr, was ihre Augen wahrnahmen. »Mutter?«
»Ja.« Lady Gemma de Montfort berührte Isabellas Wange. »Meine liebe, liebe Isabella. Mir ist, als sähe ich mein eigenes Spiegelbild zum Zeitpunkt deiner Geburt.«
Isabella fiel auf die Knie und schlang die Arme um die Taille ihrer Mutter und schluchzte in deren schlichtes Gewand. »Nie hätte
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