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Die Lady mit der Feder - Roman

Die Lady mit der Feder - Roman

Titel: Die Lady mit der Feder - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley Anke Koerten
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anpflanzte.
    »Ich weiche Kâchan aus«, sagte Zuki und schloss die Tür, ehe sie sich Isabellas Arbeitstisch zögernd näherte. Sie trug
die kurze Trainingstunika, die man zu den Übungsstunden anlegte.
    »Deine Mutter wird verärgert sein«, erwiderte Isabella, die wusste, dass das Wort in der Sprache jenes fernen Landes, aus dem der Vater von Zukis Mutter westwärts nach Persien und ins Heilige Land gezogen war, »Mutter« bedeutete. Dort war ihm und seiner Tochter Nariko Königin Eleanor begegnet und hatte sie eingeladen, mit nach England zu kommen.
    »Sie weiß, dass ich mit Pfeil und Bogen nicht gern trainiere.« Sie schlug mit einem Phantasieschwert in die Luft. »Mir wäre etwas Scharfes lieber. Oder vielleicht könntest du mir beibringen, wie man mit der Peitsche umgeht.« Sie deutete auf den über Isabellas rechter Hüfte eingerollten Lederstrang.
    Stirnrunzelnd ging Isabella um den Tisch herum, um das Mädchen daran zu hindern, dass es zu nahe herankam. Zuki war ganz Ellbogen und Knie und schien jeden Tag ein Stück zu wachsen. Wenn sie an etwas anstieß … Isabella wollte gar nicht daran denken. Sie verschränkte die Arme. »Hier kannst du dich heute nicht verstecken«, sagte sie.
    »Schwester Isabella, du hast aber gesagt, ich dürfe immer kommen und von dir lernen.«
    »Heute nicht. Was ich hier mache, ist gefährlich, und ich möchte vermeiden, dass dir etwas zustößt.«
    Die Arme vor der schmalen Brust verschränkend, ahmte Zuki Isabellas Pose nach und stampfte mit dem Fuß auf dem Steinboden auf. »Du sagtest …«
    »›Ame futte ji katamaru‹, sagt deine Mutter.«
    Das Mädchen verdrehte die Augen. »Schwester Isabella! Benütze niemals dieses alte Sprichwort. Kâchan spricht in
der Sprache ihres Vaters nur dann, wenn sie mir eine Lektion erteilen möchte.«
    »Weißt du noch, was diese Worte bedeuten? ›Regen festigt den Boden.‹«
    »Damit will man jungen Menschen zu verstehen geben, dass Herausforderungen einen stärker machen.« Sie ließ die Arme heruntersinken. »Bitte, du sollst mich nicht auch noch belehren.«
    »Auch noch?«
    »Schwester Dominique besteht darauf, dass ich mit verschiedenen Waffen übe.«
    »Wie alle anderen.«
    »Du nicht.«
    Isabella zwang sich, ihr Lächeln beizubehalten. »Jetzt nicht, doch habe ich es getan. Wie du weißt, wünscht die Äbtissin, jede von uns möge jenen Weg finden, der uns die größte Freude und ein erstrebenswertes Ziel bietet. Ich fand meinen Weg, als ich etwa in deinem Alter war. Du musst weitersuchen, bis du deinen findest.«
    Zuki, die etwas vor sich hin murmelte, ging ans Fenster und sah hinaus. Isabella wusste, dass sie das immer tat, wenn ihr die Argumente ausgegangen waren, sie aber nicht nachgeben wollte. Ihr Eigensinn würde Zuki bewegen, an ihren Studien festzuhalten.
    Leider hatte Isabella diese Lektion selbst nicht gelernt. Sie bewunderte die Schwestern, die mit dem Schwert umgehen konnten. Sie hatte gesehen, wie Schwester Fayette mit einem einzigen Hieb einer Klinge einen Stapel Zwiebeln in zwei gleiche Teile gespalten hatte. Ebenso flößten ihr die Schwestern, die einen Pfeil zielgenau abschießen konnten, Hochachtung
ein. Schwester Dominique war in der Handhabung des Kampfstockes und des Kurzschwertes überaus gewandt, und wenn sie die Waffen gleichzeitig benutzte, raubte es Isabella buchstäblich den Atem.
    Dennoch hatte Isabella sich für die Wissenschaft, vor allem für die Arbeit mit Heilpflanzen entschieden. Sie hatte jedes Manuskript, dessen sie habhaft werden konnte, studiert und sich über Elemente und Körpersäfte kundig gemacht, die Gesundheit oder Krankheit bringen konnten. Vor fast fünf Jahren hatte sie in einem harten Winter die Äbtissin gerettet, als ein heimtückisches Fieber fünf Menschenleben in der Abtei forderte. Damals hatte sie viel Lob geerntet, doch fragte sie sich, ob alles Gelernte wirklich so wichtig war, wenn sie es nicht so gut beherrschte wie ihre Schwestern. Wenn es ihr gelänge, die Verbindung richtig zu mischen, von der sie aus zerfledderten Pergamentseiten und Diskussionen mit Nariko wusste und von der sie bisher nur Bruchstückchen an Informationen hatte, würde sie beweisen, dass sie ebenso befähigt war, der Abtei zu dienen wie alle anderen.
    »Schwester Isabella!«, ertönte ein Ruf hinter der Scheune.
    »Das ist Schwester Charlotta«, sagte Zuki und stieß sich vom Fenster ab. »Sie kommt gelaufen!«
    »Schwester Charlotta läuft?« Isabella hätte nicht verblüffter sein können. Die

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