Die Lanze Gottes (German Edition)
hatte.
Rudolf legte die Lanze zurück in die Truhe. »Noch nicht, aber das ist nicht von Belang. Der Papst wird uns auch so Gehör und Glauben schenken. Die Mauritiusbruderschaft wird von nun an den Königen des Reiches offen dienen. Daher habe ich beschlossen, entgegen unserer sonstigen Gepflogenheiten, heute Abend jemanden hier teilhaben zu lassen, der uns nicht angehört.« Rudolf bemerkte die fragenden Blicke, die die Fürsten untereinander austauschten. Das hatte es seit Bestehen der Bruderschaft niemals zuvor gegeben, doch niemand würde sich jetzt noch trauen, Bedenken anzumelden. Rudolf besaß alle Vorteile und wusste die Bruderschaft hinter sich. Er erhob sich, öffnete eine Seitentür der großen Halle und herein trat ein Hüne von einem Ritter mit langem grauem Haar. Rudolf hatte diesen Auftritt gut inszeniert. Bekleidet mit einem Kettenhemd und voll bewaffnet betrat er die Halle. Rudolf sah mit einem Grinsen, dass die Fürsten den Mann sofort erkannten. Er beobachtete Hände, die reflexartig zu den Schwertern greifen wollten. Doch niemand traute sich.
Der Mann war kein geringerer als Otto von Northeim.
Er verbeugte sich vor den anwesenden Fürsten und blickte ihnen nacheinander in die Augen, dann lächelte er selbstbewusst und verschränkte seine Arme vor der Brust.
Rudolf nickte ihm zu und richtete das Wort an die versammelten Männer. »Einst waren wir Feinde, doch nun steht ganz Sachsen erneut hinter Otto von Northeim und dieser hat mir die Treue geschworen. Übermorgen werden mich die Fürsten zu ihrem neuen König wählen und für das Reich wird eine neue Zeit anbrechen. Eine Zeit der Einheit und eine Zeit des Friedens. Eine Zeit, die Gott gefällt!«
L
Gerade hatte ein Bote die Nachricht überbracht, dass Rudolf von Rheinfelden von den Fürsten zum Gegenkönig gewählt worden war. Janus verfolgte die Reaktion des Königs. Heinrich schäumte vor Wut. Er lief in der Halle hin und her und fluchte, schwor, Rheinfelden zu töten und alle Fürsten, die sich ihm angeschlossen hatten.
»Dieser listige Mönch in Rom hat mich hintergangen. Er hat sich mit dem Verräter Rudolf von Rheinfelden verbündet!«, schrie der König.
Bischof Liemar meldete sich zu Wort. »Mein König, der Papst verhält sich neutral. Er hat überall öffentlich verlauten lassen, der Thronstreit im Reich ginge ihn nichts an.«
Heinrich brummte. »Ich würde das gerne glauben, Bischof Liemar.« Dann wandte er sich an alle. »Längst sind wir wieder zahlreicher geworden. Viele Fürsten haben mir seit Canossa erneut den Treueeid geleistet. Sie haben den Fingerzeig Gottes verstanden. Niemand hätte vor einigen Wochen für möglich gehalten, dass der Papst mir vergibt. Ich stehe auf Gottes Seite, nicht der verräterische Herzog der Schwaben!«
Janus blickte zum König und es erschien ihm, als laste Trauer auf dessen Seele. Von Hermann wusste er, Heinrich betrachte die Abkehr Rudolf von Rheinfeldens als neuerlichen Verrat. Der Herzog von Schwaben war ihm vertraut von Kindesbeinen an. Rudolf hatte immer seine schützende Hand über den König gehalten. Heinrich hatte seinen Vater niemals richtig gekannt. Bischof Adalbert war sein geistiger Vater gewesen und Rudolf von Rheinfelden der weltliche. Verrat hatte Heinrich in seiner Kindheit nie für möglich gehalten. Janus schüttelte bei diesen Gedanken verständnislos den Kopf. Uhlmann, Asbirg oder Ulrich, das waren Menschen, denen man hatte vertrauen können. Am Hofe dagegen schien Verrat an der Tagesordnung zu sein. Fürsten wie Hermann oder Otto von Northeim, selbst Bischof Adalbert wurden vom Hofe verbannt und wieder eingesetzt. Wie konnte der König so leichtgläubig sein? Janus war überzeugt, dass Rudolf alles von langer Hand geplant hatte.
Am nächsten Tag begegnete Janus Hermann im Hof, er kam gerade vom König. »Glaubst du, der Heilige Vater ist mit Rudolf von Rheinfelden im Bunde und wirklich an einer Verschwörung gegen den König beteiligt, so wie Heinrich vermutet?«, fragte er seinen Schwiegervater.
Dieser schüttelte den Kopf. »Am Nachmittag ist ein Bote aus Rom eingetroffen. Der Papst gedenkt nicht, sich in den Streit um die Krone einzumischen. Er lässt ausrichten, der Thronstreit sei alleinige Sache des Reiches. Sicher sähe er lieber Rudolf auf dem deutschen Thron. Es kommt ihm gelegen, dass der Schwabenherzog allem Anschein nach die Geduld verloren hat. Aber ich glaube nicht, dass der Heilige Vater das zusammen mit Rheinfelden geplant hat. Rudolf ist zu weit
Weitere Kostenlose Bücher