Die Lanze Gottes (German Edition)
geworden. Was wusste Sven Estridsson?
Adam stand ebenfalls auf und trat hinter den König. »Nun, es stimmt, dass die Heilige Lanze seit Jahrhunderten den deutschen Königen und Kaisern als mächtige Waffe dient. Ich weiß, dass Ihr gerne das Verhältnis des dänischen Volkes zum Reich verbessern möchtet, und habe gedacht, unser Vertrauen sei groß genug, um diese Frage zu stellen, verzeiht meine Forschheit.«
Der König setzte sich wieder ans Feuer, dann musterte er Adam mit seinen durchdringenden, blauen Augen. »Sagt, was Ihr wissen wollt, Mönch aus Bremen!«
Adam zog den Kodex aus seinem Lederbeutel. »Erlaubt mir, dass ich Euch eine Geschichte vorlese, großer Dänenherrscher.«
Der König hob den Arm und schickte seine Dienerschaft und alle, die sich noch in der Nähe befanden, fort. Dann wandte er sich wieder Adam zu. »Ich höre, Mönch!«
Adam begann zu lesen. Mit unbewegter Miene saß Sven Estridsson ihm gegenüber und Janus konnte sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete. Mit wachem Blick lauschte er der Geschichte. Als Adam endete, fragte der König: »Woher kennt Ihr die Saga des Thorspeeres?«
»Der Bericht des Mönches entspricht der Wahrheit?«
Estridsson legte seine Fingerspitzen zusammen. »So ist es.«
»Wisst Ihr etwas über den Verbleib der Lanze?«, griff Janus in das Gespräch ein, denn er platzte fast vor Neugier. Der König drehte ihm den Kopf zu. »Ja.«
Adam hob beschwörend den Arm. »Dann sprecht und sagt uns, was Ihr wisst!«
Sven Estridsson lehnte sich zurück. »Die Geschichte, die Ihr mir gerade vorgelesen habt, kenne ich sehr wohl. Sie wird seit Jahrhunderten an den Feuern meines Volkes erzählt. Da es in unserem Land wenig eures Pergaments gibt, das Ihr so eifrig beschreibt, sind viele unserer Geschichten in Stein geritzt worden. So auch diese. Sie handelt von dem Speer Thors und von einem großen Krieger namens Thorvald.«
»Thorvald?«, fragte Janus. Den Namen hatte er noch nie gehört.
»Ein mächtiges fremdes Volk hatte den Speer vor langer Zeit geraubt. Es gab einen Krieger namens Olaf Ragnarson. Ihm gelang es, den Speer in das Land der Ahnen zurückzubringen.«
Adam hielt den Kodex in die Höhe. »Ihr meint Olaf Ragnarson aus diesem Bericht?«
Estridsson nickte.
»Und das fremde Volk waren die Christen«, warf Janus ein. Der König zuckte mit den Schultern. »So wurde es erzählt. Einer von Thorvalds Vorfahren war dabei, als Olaf Ragnarson jenes Kloster überfiel, in dem sich die Waffe befand. Ein Mysterium umrankt diesen Speer. Es heißt, er mache unbesiegbar. Ich bin ein Freund der Christen und meistens ein gottesfürchtiger Mann. Und ich glaube daran, dass das Christentum für mein Volk gut ist. Deshalb seid Ihr mir willkommen, Adam von Bremen, und ich werde durch Euren Glauben und Eure Weisheit reich beschenkt. Doch nicht jedermann aus meinem Volk ist den Christen so wohlgesonnen. Ich werde Euch die Geschichte von Thorvald erzählen, da sie für Euch so wichtig scheint, in der Hoffnung, dass Ihr als Fürsprecher für das dänische Volk bei Eurem Bischof eintretet. Und als Fürsprecher für mich, bei Gott unserem Herrn, denn Ihr wisst, dass ich ein sündiger Mann bin. Ich möchte gern, dass mein Volk eines Tages so wird wie das Eure, Adam, deswegen, und weil ich will, dass Ihr mein Volk besser versteht, erzähle ich Euch die Geschichte.«
Adam beugte sich neugierig vor.
Der König von Dänemark atmete tief ein, dann begann er. »Nachdem Thorvald den Speer von seinem Vater bei dessen Tod geerbt hatte, verwahrte er ihn gut, denn von der Lanze ging eine geheimnisvolle Kraft aus. Der größte König der Christenheit, Carolus Magnus, wagte niemals seinen Fuß auf dänischen Boden zu stellen. Und auch alle anderen Völker der Nordmeere wurden von ihm verschont. Unsere Vorfahren unternahmen sogar Raubzüge in das Fränkische Reich, mit großem Erfolg. Sie waren nicht zu bändigen. Und sie waren nicht zu besiegen. Die Lanze beschützte die Krieger Thors.«
»Wo wird sie aufbewahrt?«, fragte Adam ungeduldig.
Der König lachte. Es bereitete ihm allem Anschein nach Vergnügen, den sonst rhetorisch so überlegenen Adam wie einen Fisch zappeln zu lassen. »Nicht so schnell, Mönch! Im Jahre neunhundertsiebzig nach christlicher Zeitrechnung wurde Thorvald wegen eines angeblichen Mordes vom Thing in die Verbannung geschickt. Er fuhr mit seinem Schiff auf eine Insel namens Island, seine Frau schenkte ihm einen Sohn und er nannte ihn Erik. Wegen des roten Haupthaares und
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