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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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bin.«
    »Und das wäre? Ein Säufer? Jemand, der andere im Stich lässt?«
    »Ein Polizist.«
    Oleg lachte. »Sonst nichts? Ein Polizist? Nicht etwa ein Mensch, oder so?«
    »In erster Linie Polizist.«
    »In erster Linie Polizist«, wiederholte Oleg und nickte. »Ist das nicht banal und todtraurig?«
    »Banal und todtraurig«, sagte Harry, nahm die halb gerauchte Zigarette und musterte sie, als hielte sie nicht, was sie versprach. »Weil das nämlich bedeutet, dass ich keine Wahl habe.«
    »Wahl?«
    »Ich muss dafür sorgen, dass du deine Strafe bekommst.«
    »Du arbeitest nicht mehr für die Polizei, Harry. Du stehst hier ohne Waffe. Außerdem weiß noch niemand sonst, was du weißt oder dass du jetzt hier bist. Denk an Mama. Denk an mich! Wenigstens ein Mal. Denk an uns, an uns drei!« Tränen traten in seine Augen, und in seiner Stimme schwang der schrille, metallische Ton der Verzweiflung mit. »Warum kannst du jetzt nicht einfach gehen und das alles vergessen. Können wir nicht so tun, als wäre das nicht geschehen?«
    »Ich wünschte mir, ich könnte das«, sagte Harry. »Aber du hast mich gefangen. Ich weiß, was geschehen ist, und ich muss dich stoppen.«
    »Und warum hast du dann zugelassen, dass ich die Pistole habe?«
    Harry zuckte mit den Schultern. »Ich kann dich nicht festnehmen. Du musst dich selbst stellen. Das ist dein Rennen.«
    »Mich selbst stellen? Warum sollte ich das denn tun? Ich bin doch gerade erst freigesprochen worden!«
    »Wenn ich dich festnehme, verliere ich euch beide. Deine Mutter und dich. Und ohne euch bin ich ein Nichts. Ich kann ohne euch nicht leben. Verstehst du, Oleg? Ich bin eine ausgesperrte Ratte, für die es nur einen Weg hinein gibt. Und der führt durch dich.«
    »Dann lass mich gehen! Lass uns den ganzen Scheiß vergessen und neu anfangen!«
    Harry schüttelte den Kopf. »Vorsätzlicher Mord, Oleg. Das kann ich nicht. Du bist es, der den Schlüssel und die Pistole hat. Du musst jetzt für uns alle drei denken. Geh zu Hans Christian, damit er sich um alles kümmert. Du kannst dich stellen und deine Strafe damit deutlich verkürzen.«
    »Aber sie wird immer noch so lang sein, dass ich Irene verliere. Kein Mensch wartet so lange.«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Vielleicht hast du sie ja bereits verloren.«
    »Du lügst, du lügst doch wieder, Harry!« Harry sah, wie Oleg die Tränen aus den Augen wegblinzelte. »Was tust du, wenn ich mich weigere, mich zu stellen?«
    »Dann muss ich dich jetzt festnehmen.«
    Oleg gab ein Stöhnen von sich, irgendetwas zwischen einem Schluchzen und einem ungläubigen Lachen.
    »Du bist doch verrückt, Harry.«
    »Ich bin halt so gestrickt, Oleg. Ich tue, was ich tun muss. Wie du tust, was du tun musst.«
    » Muss? Bei dir hört sich das an wie ein verdammter Fluch.«
    »Vielleicht.«
    »Das ist doch Bullshit!«
    »Dann brich diesen Fluch, Oleg. Du hast doch nicht wirklich Lust, noch jemanden zu töten, oder?«
    »Geh!«, schrie Oleg. Die Pistole zitterte in seiner Hand. »Hau ab! Du bist kein Polizist mehr!«
    »Richtig«, sagte Harry. »Aber ich bin, wie gesagt …« Er legte die Lippen um die schwarze Zigarette und inhalierte tief. Schloss die Augen und stand zwei Sekunden lang einfach nur da und schien das Nikotin zu genießen. Dann atmete er aus und ließ den Qualm aus seinen Lungen entweichen, »… Polizist.« Er ließ die Zigarette vor sich auf den Boden fallen. Trat sie mit dem Fuß aus und machte einen Schritt auf Oleg zu. Hob den Kopf. Oleg war fast ebenso groß wie er. Harry begegnete dem Blick des Jungen hinter dem Korn der gehobenen Waffe. Sah, dass der Hahn sich hob. Und wusste, wie es ausgehen würde. Er stand im Weg, auch der Junge hatte keine Wahl; sie waren wie zwei Unbekannte in einer Gleichung ohne Lösung, zwei Himmelskörper, die sich unausweichlich auf Kollisionskurs befanden, ein Tetris-Wettkampf, den nur einer von ihnen gewinnen konnte. Den nur einer von ihnen gewinnen würde. Er hoffte, dass Oleg klug genug war, die Waffe anschließend beiseitezuschaffen, dass er das Flugzeug nach Bangkok nahm, dass er Rakel nie etwas erzählte, dass er nicht mitten in der Nacht aufwachte, schreiend, das Zimmer voller Gespenster, sondern ein Leben lebte, das es wert war zu leben. Denn sein eigenes war das nicht. Nicht mehr. Er rüstete sich, ging weiter, spürte die Schwere seines Körpers und sah das schwarze Auge der Pistole vor sich wachsen. Ein Herbsttag, Oleg ist zehn, der Wind spielt mit seinen Haaren. Rakel und

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