02 - Von dir kann ich nicht lassen
Kapitel 1
Die beiden
Gentlemen, die trotz der frischen Kühle des Frühlingsmorgens in Hemdsärmeln
waren, standen gerade im Begriff, sich gegenseitig eine Kugel durch den Kopf zu
jagen. Oder es zumindest zu versuchen. Sie befanden sich auf einem abgelegenen
Teil einer taufeuchten Wiese in Londons Hyde Park, blickten in entgegengesetzte
Richtungen und ignorierten jeder die Gegenwart des anderen, bis zu dem Moment,
da sie aufeinander zielen würden, um den tödlichen Schuss abzugeben.
Sie
waren jedoch nicht allein, da dies ein Ehrenduell war, bei dem die rechtlichen
Bestimmungen eingehalten werden mussten. Man hatte den Fehdehandschuh geworfen,
wenn auch nicht buchstäblich, und Herausforderer und Herausgeforderter hatten
durch ihre Sekundanten diese morgendliche Begegnung vereinbart. Beide
Sekundanten waren anwesend, außerdem auch ein Arzt und eine Ansammlung
interessierter Zuschauer, alles Männer, die früh aufgestanden waren
oder nach den Feiern der vergangenen Nacht noch nicht zu Bett gegangen
die um des reinen Vergnügens willen zusehen wollten, wie zwei Mitglieder des
Hochadels versuchten, das Leben des jeweils anderen zeitlich zu begrenzen.
Einer
der Duellanten, der Herausforderer und kleinere und stämmigere der beiden
Männer, stampfte mit den Stiefeln auf, krümmte die Finger und leckte sich die
trockenen Lippen mit seiner noch trockeneren Zunge. Er war beinahe ebenso blass
wie sein Hemd.
»Ja, du
kannst ihn fragen«, sagte er zu seinem Sekundanten, wobei er sich vergeblich
bemühte, ein Zähneklappern zu unterdrücken. »Nicht dass er es tun wird,
bedenke, aber man muss bei solchen Angelegenheiten Anstand bewahren.«
Sein
Sekundant schritt forsch davon, um mit seinem Gegenüber zu verhandeln, der
wiederum an den zweiten Duellanten herantrat. Dieser große, elegante Gentleman
wirkte ohne seine Jacke sehr vorteilhaft. Sein weißes Hemd konnte die starken
Muskeln an Armen, Schultern und Brust kaum verbergen, während Kniehose und
Stulpenstiefel die muskulösen Konturen seiner langen Beine noch betonten. Er
war unbekümmert damit beschäftigt, die Spitze der Ärmelaufschläge über den
Rücken seiner langfingrigen, ordentlich manikürten Hände zu glätten und eine
oberflächliche Unterhaltung mit seinen Freunden zu führen.
»Oliver
zittert wie ein Blatt im Sturm«, bemerkte Baron Pottier, das Lorgnon am Auge.
»Er könnte nicht einmal die breite Seite der Kathedrale aus dreißig Schritt
Entfernung treffen, Tresham.«
»Und
seine Zähne klappern wie Pferdehufe«, fügte Viscount Kimble hinzu.
»Beabsichtigst
du, ihn zu töten, Tresham?«, fragte der junge Mr. Maddox, was ihm einen kühlen,
überheblichen Blick des Duellanten einbrachte.
»Das
macht ein Duell aus, nicht wahr?«, antwortete er.
»Hinterher
Frühstück bei White's, Tresh?«, schlug Viscount Kimble vor. »Und danach zu
Tattersall? Ich habe ein Auge auf ein gerade zusammengestelltes Paar Graue für
meine Karriole geworfen.«
»Sobald
diese unselige Angelegenheit erledigt ist.« Aber dann wurde der Duellant durch
das Herannahen seines Sekundanten sowohl vom Glätten seiner Ärmelaufschläge als
auch von seiner Unterhaltung abgelenkt. »Nun, Conan?«, fragte er mit einer Spur
Ungeduld in der Stimme. »Gibt es einen guten Grund für diese Verzögerung? Ich
muss gestehen, dass es mich nach meinem Frühstück verlangt.«
Sir
Conan Brougham war die Kaltschnäuzigkeit des Mannes gewohnt. Er hatte ihm
bereits bei drei vorangegangenen Duellen als Sekundant fungiert, nach denen
sein Freund unversehrt und vollkommen ruhig ein herzhaftes Frühstück zu sich
genommen hatte, als habe er an dem Morgen nichts weniger Todbringendes als
einen forschen Ritt im Park hinter sich.
'»Lord
Oliver ist bereit, eine angemessen formulierte Entschuldigung anzunehmen«,
sagte, er.
Ihre
Bekannten machten höhnische Bemerkungen.
Sir Conans
Blick wurde ungerührt von dunkelbraunen Augen erwidert, die manche Menschen
irrtümlich für schwarz hielten. Das schmale, überhebliche, hübsche Gesicht, zu
dem sie gehörten, zeigte bis auf eine leicht gehobene Augenbraue keinerlei
Regung,
»Er hat
mich herausgefordert, weil ich ihm Hörner, aufgesetzt habe, ist aber bereit,
die Angelegenheit nach einer einfachen Entschuldigung zu vergessen?«, fragte
er. »Muss ich meine Antwort darlegen, Conan? Musstest du mich überhaupt
fragen?«
»Es ist
vielleicht eine Überlegung wert«, riet sein Freund. »Ich würde meine Aufgabe
nicht gewissenhaft erfüllen, wenn ich dir
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