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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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sah man sie immer häufiger auf Premierenfeiern oder gesellschaftlichen Anlässen. Darin wurde sie als »Straßenfegerin« beschrieben, als die treibende Kraft im Kampf gegen Dealer und Drogenabhängige in den Straßen Oslos. Man hatte sogar offen über eine Zukunft in der kommenden Regierung spekuliert. Auf jeden Fall hatten ihr Ressort und ihre Partei im Senat spürbaren Rückenwind. Truls war nicht entgangen, dass ihr Ausschnitt mit zunehmender öffentlicher Anerkennung immer tiefer und ihr Lächeln immer breiter geworden war.
    »Ich hatte ein höchst inoffizielles Gespräch mit der Polizeipräsidentin«, sagte Bellman. »Sie will mich dem Innensenator als Kriminaldirektor vorschlagen.«
    »Wahnsinn!«, platzte Truls heraus. Tévez hatte den Freistoß direkt in die Ecke gesetzt.
    Bellman stand auf. »Ich dachte, du solltest das wissen. Ulla und ich geben kommenden Samstag übrigens ein kleines Fest. Wir laden ein paar Leute zu uns nach Hause ein.«
    Truls spürte wieder den alten, vertrauten Stich, als er Ullas Namen aus seinem Mund hörte.
    »Neues Haus, neuer Job, du weißt ja. Und schließlich hast du uns ja beim Betonieren der Terrasse geholfen.«
    Geholfen?, dachte Truls. Ich hab euch diese Scheißterrasse komplett alleine betoniert.
    »Solltest du also noch nichts vorhaben …«, sagte Bellman und nickte in Richtung Computerbildschirm, »… bist du herzlich eingeladen.«
    Truls sagte ja. Wie er es immer getan hatte, seit sie sich als Kinder begegnet waren. Er sagte ja zu seiner Rolle als fünftes Rad am Wagen, und auch dazu, Mikael Bellman und Ulla wieder einmal bei ihrem ganz selbstverständlichen Glück zuzuschauen und sich selbst und seine Gefühle zu verleugnen.
    »Noch eine Sache«, sagte Bellman. »Erinnerst du dich an diesen Typen, den du von der Besucherliste unten an der Rezeption streichen solltest?«
    Truls nickte, ohne die Miene zu verziehen. Bellman hatte ihn angerufen und ihm erklärt, dass gerade ein gewisser Tord Schultz bei ihm gewesen sei und ihn über organisierten Drogenschmuggel und einen Brenner in ihren eigenen Reihen informiert habe. Er hatte vorgegeben, sich Gedanken um die Sicherheit dieses Mannes zu machen, und ihn gebeten, den Namen von der Liste zu streichen, sollte wirklich im Haus ein Brenner arbeiten und womöglich Einblick in diese Liste erhalten.
    »Ich habe schon ein paarmal versucht, ihn anzurufen, aber der meldet sich nicht. Ich mache mir Sorgen. Bist du dir wirklich sicher, dass die den Namen gestrichen haben und niemand etwas von dem Besuch erfahren hat?«
    »Vollkommen sicher, Herr Kriminaldirektor«, sagte Truls. City verteidigte mit elf Mann und schob den Ball hin und her. »Hast du eigentlich noch mal was von diesem Kommissar gehört, der sich in Gardermoen so aufgespielt hat?«
    »Nein«, sagte Bellman. »Er scheint sich damit abgefunden zu haben, dass es sich bei dem Stoff um Kartoffelmehl gehandelt hat. Warum?«
    »Ach, ich dachte nur, Herr Kriminaldirektor. Grüß mir deinen Drachen zu Hause.«
    »Es wäre mir lieber, du würdest das nicht sagen.«
    Truls zuckte mit den Schultern. »Du nennst sie doch selbst so.«
    »Ich meine das mit dem Kriminaldirektor. Das ist ja noch nicht offiziell. Erst in ein paar Wochen.«
    Der Personalchef der Fluggesellschaft seufzte. Der Flugdienst hatte gerade angerufen und ihm mitgeteilt, dass sich der Bergen-Flug verspäten würde, weil der eingesetzte Kapitän weder aufgetaucht war noch sich entschuldigt hatte, so dass sie jetzt in aller Eile einen Ersatz finden mussten.
    »Schultz macht zurzeit einiges durch«, sagte er.
    »Er geht auch nicht ans Telefon«, sagte der Mann vom Flugdienst.
    »Es tut mir leid. Der ist im Moment wirklich ein bisschen neben der Spur.«
    »Das habe ich gehört, ja. Aber das geht nicht. Wir sind doch kein Kindergarten. Wir hätten den Flug fast canceln müssen.«
    »Wie gesagt, er hat es im Moment nicht leicht. Ich werde mit ihm reden.«
    »Georg, wir haben alle unsere Probleme. Ich muss auf jeden Fall einen Bericht schreiben, das verstehst du doch wohl, oder?«
    Der Personalchef zögerte, kapitulierte dann aber doch. »Natürlich.«
    Als er auflegte, tauchte vor seinem inneren Auge eine alte Erinnerung auf. Ein Nachmittag, Grillfest. Sommer. Campari. Budweiser und T-Bone-Steaks direkt aus Texas, eingeflogen von einem Flugschüler. Er und Else in irgendeinem Schlafzimmer, in dem sie unbemerkt verschwunden waren. Sie hatte leise gestöhnt, leise genug, damit niemand sie durch das Kreischen der

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