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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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oder Kugeln hatte er vermutlich keine, dafür aber bestimmt mindestens eine gewaltverherrlichende Tätowierung.
    Harry ging zu ihm, ohne nach links oder rechts zu schauen.
    »Violin, ein Viertelgramm.«
    Der Junge musterte Harry von Kopf bis Fuß, ohne die Hände aus den Hosentaschen zu nehmen, und nickte.
    »Und?«, fragte Harry.
    »Du musst warten, boraz .« Der Junge sprach mit einem pakistanischen Akzent, den er vermutlich ablegte, wenn er in seinem durch und durch norwegischen Zuhause die Frikadellen seiner Mama aß.
    »Ich kann nicht warten, bis du einen ganzen Zug zusammenhast.«
    » Chillax , das geht schnell.«
    »Ich zahl dir einen Hunderter extra.«
    Der Junge maß Harry mit den Augen.
    Als sich ihre Blicke wieder begegneten, wusste Harry, was der Dealer dachte: ein hässlicher Geschäftsmann mit seltsamem Anzug und kontrolliertem Verbrauch. Wieder so einer, der eine Todesangst davor hatte, dass ein Kollege oder jemand aus seiner Familie vorbeikam. So ein Typ bettelte doch förmlich darum, beschissen zu werden.
    »Sechshundert«, sagte der Junge.
    Harry seufzte und nickte.
    »Idra« , sagte der Junge und setzte sich in Bewegung.
    Harry nahm an, dass er ihm folgen sollte.
    Sie bogen um eine Ecke und traten durch eine offene Toreinfahrt auf einen Hinterhof. Der Dopemann war schwarz, vermutlich ein Nordafrikaner. Er lehnte an einem Stapel Paletten. Sein Kopf wippte im Takt der Musik aus seinem iPod. Ein Ohrstöpsel hing seitlich auf seiner Schulter.
    »Ein Viertel«, sagte Rick Ross im Arsenal-Trikot.
    Der Dopemann nahm etwas aus seiner tiefen Jackentasche und reichte es Harry mit der Handfläche nach unten, so dass man es nicht sehen konnte. Harry warf einen Blick auf das Tütchen. Das Pulver war weiß mit ein paar winzigen schwarzen Partikeln.
    »Ich habe eine Frage«, sagte Harry und steckte das Dope in seine Jackentasche.
    Die beiden anderen erstarrten, und Harry entging nicht, dass der Dopemann mit der Hand nach hinten zu seinem Rücken fuhr. Bestimmt steckte eine kleinkalibrige Waffe in seinem Hosenbund, dachte Harry.
    »Hat jemand von euch dieses Mädchen gesehen?« Er hielt ihnen das Bild der Familie Hanssen hin.
    Sie warfen einen Blick darauf und schüttelten die Köpfe.
    »Wer mir einen Anhaltspunkt geben kann, irgendein Gerücht, irgendetwas, kriegt fünftausend von mir.«
    Die zwei sahen Harry an. Er wartete, aber die beiden zuckten nur mit den Schultern, ohne Fragen zu stellen. Vielleicht kam es häufiger vor, dass ein Vater im Osloer Drogensumpf nach seiner Tochter suchte. Auf jeden Fall fehlte ihnen der Zynismus oder die Phantasie, um sich mit irgendeiner spontanen Erfindung die Belohnung zu ergaunern.
    »Ja, dann«, sagte Harry. »Aber ich habe eine Bitte. Richtet Dubai einen Gruß aus und sagt ihm, dass ich Informationen für ihn habe, die ihn interessieren werden. Über Oleg. Sagt ihm, dass er ins Leons kommen und nach Harry fragen soll.«
    Im nächsten Augenblick war die Waffe gezückt. Harry hatte recht gehabt, es war eine Beretta aus der Cheetah-Serie. Neun Millimeter. Kurzer Lauf, ein unangenehmes Teil.
    »Bist du ein Baosj ?«
    Wieder dieses Kebab-Norwegisch. Diesmal das Wort für Bulle.
    »Nein«, sagte Harry und versuchte, die Übelkeit herunterzuwürgen, die immer aufkam, wenn er in die Mündung einer Waffe schaute.
    »Du lügst doch. Du drückst doch gar nicht. Du bist so ein Scheißdrogenfahnder.«
    »Ich lüge nicht.«
    Der Dopemann nickte Rick Ross kurz zu, der einen Schritt auf Harry zutrat und den Ärmel seiner Anzugjacke hochschob. Harry versuchte, seinen Blick von der Pistolenmündung abzuwenden. Ein leises Pfeifen war zu hören. »Scheint, als ob dieser Typ wirklich drückt«, sagte Rick Ross.
    Harry hatte eine gewöhnliche Nähnadel genommen, die er unter der Flamme seines Feuerzeugs sterilisiert hatte. Er hatte die Nadel an vier oder fünf Stellen tief in seinen Unterarm gestochen und etwas gedreht und die Einstichstellen dann mit einer Salmiakseife eingerieben, damit sie rot und wund hervortraten. Danach hatte er an zwei Stellen eine Vene im Ellenbogen punktiert, so dass sich Blut unter seiner Haut angesammelt und ein paar effektvolle blaue Flecken gebildet hatte.
    »Ich glaube, der lügt trotzdem«, sagte der Dopemann, trat einen Schritt zurück und umklammerte den Schaft der Pistole mit beiden Händen.
    »Warum denn? Guck mal, in seiner Tasche ist auch eine Spritze und Alufolie.«
    »Der hat keine Angst.«
    »Wie zum Henker meinst du das denn? Sieh dir den Typ doch

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