Die Last der Schuld
unbedingt loswerden willst, dann sag mir endlich, was ich wissen will!«
»Ich habe dir nichts zu sagen.«
Caleb starrte sie lange stumm an, die Lippen zu einer harten Linie zusammengepresst. »Wer ist wohl als Nächstes dran, Lana? Deine Schwester? Ihr Sohn? Wann wirst du endlich begreifen, dass man derartige Probleme nicht allein lösen kann?«
Beinahe glaubte sie ihm. Beinahe brach sie unter der Last ihres Geheimnisses zusammen. Was, wenn er recht hatte? Was, wenn ihr Schweigen nur dazu führte, dass die Menschen, die sie liebte, verletzt wurden?
Andererseits â was war, wenn er sich irrte? Sie wusste, was geschehen würde, wenn sie ihr Geheimnis preisgäbe. Bislang konnte Kara nur mutmaÃen. Wenn Lana ihre Lüge lange genug aufrechterhielt, würde Kara ihr irgendwann glauben und verschwinden. Wenn sie hingegen die Wahrheit sagte, würde Kara sie als Bedrohung ansehen. Selbst wenn sie in ein Zeugenschutzprogramm ginge, würde Kara oder einer ihrer Handlanger ihre Familie einen nach dem anderen töten, um Lana zu vernichten. Oder um sie einfach nur zu bestrafen, weil sie sich so lange vor ihnen versteckt hatte.
Ihre Wahlmöglichkeiten waren begrenzt, doch das Risiko von Gewalt war immer noch besser als eine Garantie auf Gewalt. Sie musste weiter schweigen, und sie musste obendrein verschwinden, so viel war ihr inzwischen klar geworden. Die Benefizveranstaltung war in wenigen Tagen, danach würde sie untertauchen. Wenn sie nicht mehr hier wäre, um das Leid ihrer Familie mit anzusehen, würde Kara zweifellos das Interesse verlieren. Stattdessen würde sie sich darauf konzentrieren, Lana zu finden. Lana hasste die Vorstellung, ihr Zuhause und ihre Familie zu verlassen, doch sie hatte keine andere Wahl. Nicht mehr.
Sie blickte zu Caleb auf, in dem Wissen, dass er einer der Menschen war, die sie verlassen musste. Ein Teil von ihr wollte ihn in die Arme schlieÃen, damit er ihr das bisschen Freude schenken konnte, das ihrem Leben noch zu entlocken war. Doch der klügere Teil ihrer Selbst wusste, dass dies ein fataler Fehler wäre. Sie hatte ihm nie eine persönliche Frage gestellt, weil sie wusste, sobald er sich in eine reale Person verwandelte, würde ihre Abwehr vollends zusammenbrechen. Im Moment war er nicht mehr als ein Held, der ihr das Leben gerettet und ihren Körper in Ekstase versetzt hatte. Er war eine Legende â kein normaler Mensch â , und dabei musste es bleiben. Wenn er sich in einen wahren Menschen verwandelte, würde sie sich in ihn verlieben, und dann wäre es umso schwieriger, ihn zu verlassen.
»Gib mir meinen Haustürschlüssel«, verlangte sie.
Caleb nahm einen tiefen Atemzug, sodass sich sein T-Shirt über der Brust spannte. Was hätte sie nicht dafür gegeben, auch nur die Hälfte seiner Körperkraft zu besitzen. Zu dumm, dass sie auch mit dem Selbstverteidigungstraining aufhören musste. Es hätte ihr unendlich dabei geholfen, sich ein wenig sicherer zu fühlen.
»Nein. Ich behalte den Schlüssel.«
»Du hast kein Recht, ihn zu behalten.«
»Vielleicht nicht, aber wenn du heute Nacht wieder anfängst zu schreien, komme ich wenigstens herein, ohne die Tür eintreten zu müssen.«
Die Vorstellung, von ihm gehalten zu werden, sich ihre Albträume von ihm vertreiben zu lassen, war geradezu berauschend. Das Blut schoss ihr durch die Adern und lieà sie allein bei der Erinnerung daran erzittern. »Wenn ich heute Nacht schreie, will ich nicht, dass du dich in meiner Nähe befindest.«
»Pech gehabt. Ich werde nicht tatenlos zusehen, wie du leidest. Nie wieder.«
»Ich bin lange genug ohne dich klargekommen. Ich will und brauche deine Hilfe nicht.«
»Doch, das tust du. Irgendwann wirst du es einsehen, und bis dahin werde ich nicht zulassen, dass du leidest.«
Zu spät, dachte Lana. Ihr Leid hatte längst begonnen. Und sobald Caleb sie verlieÃe, wäre dies das Einzige, das ihr noch blieb.
***
Dennys Kopf dröhnte. Es gab weit und breit nicht genug Bier, um seinen Schmerz zu ertränken. Er musste es wissen, denn er hatte bereits die Hälfte dieser Menge konsumiert, ohne die geringste Erleichterung zu spüren.
Seine Hände rochen immer noch nach Benzin, ganz gleich, wie oft er sie sich wusch. Er spürte immer noch die Hitze der Flammen auf seinem Gesicht. Diesen Auftrag würde er garantiert nicht so schnell vergessen. Oder
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