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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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standen, würde es Conrad in diesen unsicheren Zeiten kaum gelingen, sie ausfindig zu machen und bestrafen zu lassen, da die Seuche inzwischen auch zu einem Mangel an Gesetzeshütern geführt hatte. Nachdem Gertrud schon lange nichts mehr kochte, war er ohnehin kaum zu Hause, was die Entdeckung ihrer Flucht um einige wertvolle Stunden verzögern würde.
    Mit klopfendem Herzen strich Anabel über die schimmernde Oberfläche der fein geprägten Münze, die ein Reichsadler mit gespreizten Schwingen zierte. Was sie sich nicht alles dafür würden kaufen können! Zerschlagen war die Sorge um wärmere Kleidung und Proviant; mit diesem Schatz würden sie sich sogar ein Ochsenfuhrwerk leisten können! Zitternd verstaute sie die Münze in der kleinen Tasche ihres Rockes, die sie eigens für diesen Zweck eingenäht hatte. Da sie jede Woche drei Pfennige vor ihrem Vater versteckt hatte, klimperte es leise, als der Gulden seinen Platz fand.
    Sie wollte sich gerade an das Reinigen der Tücher machen, als sie laute Stimmen zurück in den Hauptraum des verkleinerten Lazaretts lockten, in dem sich ausschließlich weibliche Patienten befanden. Dort betrat soeben der neue Abt Henricus mit einer schwarzen Katze unter dem Arm den Teil des Infirmariums, den er den Beginen zugewiesen hatte, und deutete anklagend auf Schwester Adelheid. Hinter ihm drängte ein halbes Dutzend schwer bewaffneter Stadtwächter ins Innere des Hospitals, das im Handumdrehen überfüllt war.
    »Diese dort!«, keifte Henricus und gab den Wachen zu verstehen, die verdutzte Adelheid Greck festzunehmen, die keinerlei Widerstand leistete, als zwei Männer sie grob bei den Oberarmen packten. Lediglich die gespenstische Blässe ihres ovalen Gesichtes ließ erahnen, dass sie sich fürchtete, obschon sie Henricus trotzig das Kinn entgegenstreckte.
    »Was habt Ihr Euch jetzt schon wieder ausgedacht, Henricus?«, fragte sie verächtlich und zuckte zusammen, als einer der Wächter ihr den Arm auf den Rücken drehte. Sprachlos vor Entsetzen beobachtete Anabel, wie Henricus sich der Begine näherte, um ihr kalt in die Augen zu blicken.
    »Im Namen des Herrn«, posaunte er dröhnend, »klage ich Euch der Hexerei an!« Der Kater auf seinem Arm kreischte protestierend, als er ihn beim Hals packte und Schwester Adelheid so dicht vors Gesicht hielt, dass das Tier mit den Krallen nach ihr schlug. Ein erschrockenes Aufkeuchen ging durch die Reihen, als vier tiefrote Striemen auf der Wange der Begine erschienen, aus denen augenblicklich winzige Blutstropfen hervorquollen.
    »Leugnet es nicht«, zischte Henricus, dessen narbiges Gesicht kalter Hass entstellte, »dass dies das Instrument Eurer teuflischen Pläne ist!« Seine Stimme zitterte. »Zeugen haben bestätigt, dass Ihr Euch Nacht für Nacht des Körpers dieses Katers bemächtigt, um zuerst Unzucht mit dem Herrn der Finsternis zu treiben und danach seine Befehle auszuführen!«
    Der in seinen Augen glimmende Fanatismus ließ Anabel instinktiv den Kopf einziehen und einige Schritte in den Hintergrund zurückweichen. Was waren dies für unsinnige Anschuldigungen? fragte sie sich bang. Hatte Henricus den Verstand verloren? Zwar war ihr aufgefallen, dass seit dem Tod Guta Staigers Schwester Adelheid dem neuen Abt ein Dorn im Auge war, da sie ihm mehr als einmal die Stirn geboten und seinen willkürlichen Befehlen zuwidergehandelt hatte. Doch konnte seine Rachsucht so weit gehen, dass er eine unschuldige Frau eines so entsetzlichen Verbrechens bezichtigte? Henricus‘ Bass unterbrach ihre Gedanken. »Die Brut des Teufels muss ein für alle Mal ausgelöscht werden! Nur durch den Bund mit dem Bösen ist es möglich, dass die Geißel Gottes sich von Mensch zu Tier überträgt! Welche Erklärung gäbe es sonst dafür, dass trotz aller Bemühungen der Heiligen Mutter Kirche diese Plage von Tag zu Tag mehr Opfer fordert?«, dröhnte er und schleuderte den Kater vor die Füße eines Wachmannes, der ihn ohne viel Federlesens in einen Sack steckte, den er mit einer groben Kordel verschloss.
    »Die Pest ist das Werk Satans. Und nur, wenn alle seine Diener den Tod finden, kann sie besiegt werden!«, tobte Henricus weiter, während Anabel trotz der im Lazarett herrschenden Hitze immer kälter wurde. Mit einer Wendung des Kopfes gab der Abt den mit Kettenpanzern und Helmen bewehrten Männern zu verstehen, der Begine die Ordensgewänder vom Leib zu reißen, sodass Schwester Adelheid völlig unbekleidet in der Mitte des Raumes stand. Mit einer

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