Die Launen des Teufels
Geschäftigkeit überzuquellen. In den übervölkerten Gassen schoben und drängten sich die Männer und Frauen, die ihrem Tagwerk nachgingen, während aus den selbst am Tag beleuchteten Tavernen der Zechlärm der Müßiggänger drang. Verwundert verfolgte Baldewin, dessen Kettenpanzer und Waffenrock neugierige Blicke auf sich zogen, wie mitten auf der Straße Waren und Silberstücke die Hände wechselten, als ob die in den Durchgängen lauernden Bettler und Tagediebe keinerlei Gefahr darstellten. Wie merkwürdig sich die Menschen in dieser Stadt verhielten! Frierend trat er von einem Fuß auf den anderen und rieb die klammen Finger aneinander. Nachdem kurz nach Weihnachten der von den Alpen her blasende Föhn einige Tage milde Luft gebracht hatte, war einen Tag vor Neujahr die Wetterlage umgeschlagen. Seitdem fegte ein schneidender Ostwind von der Alb in das breite Donautal, und es schien von Stunde zu Stunde schwieriger zu werden, Zehen und Finger vor dem Absterben zu bewahren.
Schaudernd zog der breitschultrige Ritter den Kopf zwischen die Schultern, um zu verhindern, dass ihm der eisige Hauch in den Kragen seiner wollenen Cotte fuhr. Wenn er Katharina doch nur vor ihrem Gemahl beschützen könnte!, dachte er bitter und schalt sich im selben Atemzug einen Narren. Ihre Liebe gehörte diesem Taugenichts von Katzenstein, dem er am liebsten das Herz aus dem Leibe gerissen hätte, als dieser seine Herrin mit einigen unschmeichelhaften Ausdrücken bedacht hatte. Immer noch stieg Zorn in ihm auf, wenn er an das überhebliche Lächeln zurückdachte, das die Züge des Ritters entstellt hatte, als dieser ihm die Botschaft an Katharina ausgerichtet hatte. Dieser ehrlose Feigling! Grimmig ballte er die Hände zu Fäusten. Warum hatte sie ihn nur davon abgehalten, diesen Mistkerl zu lehren, was es hieß, ein Ritter zu sein?!, grollte er, doch eine Bewegung in seinem Augenwinkel ließ ihn den Kopf wenden. Als er die junge Frau erblickte, die mit dem Säugling soeben das Haus des Apothekers verließ, verscheuchte er die zornigen Gedanken und trat auf sie zu. Es hatte ohnehin keinen Sinn, sich nach etwas zu sehnen, das niemals sein würde!
Mit einer höflichen Handbewegung gewährte er dem Mädchen den Vortritt und heftete sich an seine Fersen. Wenn er die Dame seines Herzens schon nicht besitzen konnte, würde er wenigstens alles in seiner Macht Stehende unternehmen, um ihr Fleisch und Blut vor Schaden zu bewahren!
Kapitel 28
Ulm, Dreikönigsfest 6. Januar 1350
»Das kann ich nicht annehmen!« Abwehrend hob Anabel die Hände, als Katharina von Helfenstein ihr einen verlockend glänzenden Gulden entgegenstreckte. »Ihr braucht mich nicht zu bezahlen. Ich erhalte meinen Lohn von den Heiligen Schwestern.«
Eine feine Röte überzog ihre Wangen, als sie den Blick senkte und fahrig die kleinen Fläschchen und Tücher in einen Korb legte. Wenngleich die Wunde der Gräfin inzwischen gut verheilt war, bedurfte die Narbe immer noch der täglichen Reinigung, damit sich diese nicht erneut entzündete.
»Du würdest mir einen Gefallen damit tun, Anabel«, beharrte Katharina und griff nach der Hand des Mädchens. »Ohne dich wäre Wulf sicherlich nicht so stark und gesund.« Ein entwaffnendes Lächeln umspielte ihren Mund, als sie den Blick von Anabel zu dem schlafenden Knaben wandern ließ, der in den vergangenen Wochen kräftig gewachsen war. »Außerdem ist heute Dreikönigsfest«, setzte sie hinzu und schob das kühle Geldstück nachdrücklich zwischen Anabels zur Faust geschlossene Finger. »Ein Grund mehr, sich nicht zu zieren.«
Nachdem das Mädchen sich überschwänglich bedankt hatte, floh es mit glühendem Gesicht in die Kräuterküche, wo es den Schatz ungläubig betrachtete. Der Herr musste ihre Gebete erhört haben, dachte sie bebend vor Glück, während sie die schwere Silbermünze bewundernd hin und her drehte. Nach der Beerdigung ihrer Geschwister vor etwas über zwei Wochen hatte sie mit Bertram vereinbart, so schnell als möglich aus Ulm zu fliehen und ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Da Gertrud seit dem Tod der Kinder in vollkommene Apathie abgeglitten war, aus der selbst Conrads Schläge und Misshandlungen sie nicht aufrütteln konnten, gab es nichts mehr, das sie zurückhielt. Sobald sie genügend Geld zur Seite gelegt hatte, hatte sie mit Bertram vereinbart, würden sie den Schritt wagen und sich nach Augsburg begeben, von wo aus sie sich nach Süden wenden wollten. So wie die Dinge
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