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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Ihre Stimme troff vor Zynismus.
    »O nein«, hauchte Anabel und hielt an, um die Freundin zu sich umzudrehen und dieser in die Augen zu blicken. »Liebst du ihn?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort auf diese Frage bereits kannte, und als Vren mit einer abfälligen Bewegung verneinte, setzte sie schwach hinzu: »Ist er gut zu dir?«
    Vren prustete undamenhaft. »O ja, das ist er.« Sie legte die Stirn in Falten. »Eigentlich kann ich mich nicht beschweren. Er ist dreiundfünfzig Jahre alt, hat keinerlei Interesse an der Gesellschaft einer Frau und ist unanständig reich. Ich kann mir alles kaufen, was ich will. Es interessiert ihn nicht einmal, wofür ich sein Geld ausgebe.« Sie schwang sich auf den Rand des Brunnens und ließ die Beine baumeln. Trotz der eisigen Kälte, gegen die Anabels dünne Glocke nur einen unzureichenden Schutz bot, ließ Vren den Umhang aufklaffen, als sie sich zu ihr hinabbeugte, um hinzuzusetzen: »Aber das beste an diesem Arrangement ist«, flüsterte sie verschwörerisch, »dass es ihn nicht im Geringsten stört, dass ich das Kind eines anderen in mir trage.« Ihre Züge verdunkelten sich, und einen kurzen Moment erahnte Anabel, wie stark die Gefühle der Freundin für den Novizen gewesen sein mussten.
    »Aber genug von mir«, wiegelte Vren ab und sprang zurück auf den Boden. »Wie geht es dir?«
    Ein Gedanke durchzuckte Anabel, den sie jedoch sofort verdrängte. Wie merkwürdig es war, dass sie kurz nach einem so furchtbaren Vorfall relativ belanglose Neuigkeiten austauschten, als ob nichts geschehen sei! »Gut«, log sie, da die Erwähnung der Schwangerschaft ihr den eigenen Zustand bewusst gemacht hatte.
    »Bertram und ich«, hub sie an und erzählte der Freundin von dem wundervollen Abend in Söflingen. Geflissentlich ließ sie die Schändung durch Franciscus, die Probleme mit Conrad und die geplante Flucht aus Ulm aus, da sie auf keinen Fall wollte, dass Vren sich genötigt fühlte, ihr zu helfen.
    Nachdem sie noch einige Zeit lang ihrer Bestürzung über den sinnlosen und grausamen Tod der Begine Luft gemacht hatten, verabschiedeten sie sich voneinander – mit dem Versprechen, sich am folgenden Mittwoch auf dem Markt zu treffen. Aufgewühlt von den Ereignissen der vergangenen Stunden machte Anabel sich zurück auf den Weg ins Hospital, während sich langsam aber sicher Furcht in ihr ausbreitete. Was, wenn sie die nächste war?, fragte sie sich schaudernd, als das Bild des versinkenden Körpers in ihr aufstieg. Was, wenn Henricus sich an sie erinnerte und ein Exempel statuieren wollte? Als die zackigen Umrisse der Abtei vor ihr auftauchten, hätte sie am liebsten kehrtgemacht und wäre so weit gelaufen, wie ihre Füße sie trugen.
     

Kapitel 29
     
    »Zum nächsten Punkt.«
    Nur mit Mühe gelang es Conrad, der Sitzung an diesem Donnerstag, dem Tag der Heiligen Könige, zu folgen. Voller Ungeduld rutschte er auf seinem Stuhl hin und her und ließ das belanglose Gerede über sich hinwegspülen. Nachdem ihm Chuono, der Gewandschneider, vor der Ratsversammlung anvertraut hatte, dass er bereits drei weitere Mitglieder auf ihre Seite gezogen hatte, brannte Conrad nun darauf, Egloff vorgestellt zu werden, der in der vergangenen Woche aus Krankheitsgründen dem Treffen ferngeblieben war. Immer wieder ließ er den Blick unter halb gesenkten Lidern zu dem links von ihm sitzenden Fernhändler wandern, dessen Kopf in regelmäßigen Abständen auf seine Brust sank, nur um kurz darauf schuldbewusst in die Höhe zu zucken. Obschon sich das reiche Ratsmitglied alle Mühe gab, seine Gebrechlichkeit durch den Protz und Prunk seiner Gewänder zu überspielen, ließen sowohl die tiefen Falten als auch das in dünnen Fäden unter seiner Kappe hervor lugende Grauhaar keinen Zweifel an seinem Alter. Die von knotigen Gelenken entstellten Hände zierten beinahe pfenniggroße Altersflecken, und wenn er wie in diesem Moment die farblosen Lippen öffnete, zeugte der zahnlose Gaumen vom Abend seines Lebens.
    Einen besseren Kandidaten konnte es gar nicht geben!, dachte Conrad triumphierend, während er sich insgeheim fragte, ob der alte Mann überhaupt noch das volle Augenlicht besaß. Da er immer wieder heftig blinzelte, lag der Verdacht nahe, dass er Schwierigkeiten hatte, die ihm gegenübersitzenden Patrizier zu erkennen.
    Zufrieden beobachtete er seine Beute und malte sich den Preis aus, den er in diesen Zeiten des Arbeitskräftemangels für seine Tochter erzielen konnte. Keine Sekunde dachte er daran,

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