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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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groben Bewegung packte eine der Wachen die Handgelenke der Gefangenen, fesselte diese vor ihrer Brust und zog einen etwas längeren Strick durch die Schlaufe. Neben dem hünenhaften, breitschultrigen Soldaten wirkte die schmächtige Begine zerbrechlich und hilflos – ein Eindruck, der durch die milchige Weiße ihrer Haut unterstrichen wurde. Mit einem trockenen Schlucken schlug Anabel die Augen nieder.
      »Was habt Ihr zu diesen Anschuldigungen zu sagen, Weib?«, knurrte Henricus, nachdem er sich direkt vor seinem Opfer aufgebaut hatte.
    Einen kurzen Augenblick senkte sich Stille über die Versammlung, bevor Adelheid Greck leise erwiderte: »Was würde es helfen, wenn ich sage, dass ich unschuldig bin? Ihr würdet mir doch nicht glauben.« Sie zögerte, bevor sie hinzusetzte: »Der Herr sei Eurer Seele gnädig, Henricus.« Damit schloss sie den Mund und senkte den Kopf, sodass die von der steifen Haube befreite Flut dunkler Locken ihr Gesicht verbarg.
    »Ihr werdet Euch der Wasserprobe unterziehen«, verkündete Henricus das Urteil, das offensichtlich ohne Anwesenheit der Delinquentin bereits vom Gericht beschlossen worden war. »Dann werden wir sehen, ob Ihr die Wahrheit sprecht oder nicht.« Damit machte er auf dem Absatz kehrt und rauschte durch den Ausgang davon – die Wachen mit Schwester Adelheid im Schlepptau.
    Ohne nachzudenken folgte Anabel dem tuschelnden Zug, da vor dem Hintergrund der schreienden Ungerechtigkeit, die Henricus begehen wollte, alle Gedanken an die Kranken verblassten. Wie konnte es möglich sein, dass eine Heilige Schwester so ohne Weiteres der Hexerei beschuldigt werden konnte?, fragte sie sich beklommen, während sie wie blind den Wächtern, Beginen und Mönchen hinterherstolperte, die sich um den vor dem Tor der Abtei abgestellten Schinderkarren drängten.
    Mit geübten Bewegungen befestigte einer der Bewaffneten den derben Strick am hinteren Teil des von einem Kaltblüter gezogenen Gefährts, bevor er etwas von seinem Gürtel löste, bei dessen Anblick Anabel zusammenschrak. Langsam, beinahe genüsslich entrollte er eine mehrsträngige Geißel, die er auf ein Nicken des Abtes hin durch die Luft schwang und auf Schwester Adelheids nackten Rücken klatschen ließ. Als wäre dies das Zeichen zum Aufbruch, hob auch der Fuhrmann die Peitsche und trieb den schnaubenden Wallach an, der den Henkerskarren durch das Löwentor der Blau entlang zur Donau zog. Holpernd und polternd torkelte das Gefährt durch den Schnee, wich den allgegenwärtigen Totenbahren aus und näherte sich unaufhaltsam seinem Ziel.
    Das Stimmengewirr des zunehmenden Stroms an Gaffern und Schaulustigen übertönte schon bald das Zischen der Geißel, doch als Anabel nach wenigen hundert Schritten einen Blick auf die Gefangene erhaschte, hatte sich deren Rücken bereits in blutige Fetzen verwandelt. Vorbei an den vor den Stadtmauern ausgehobenen Massengräbern, in denen die Armen und Bettler achtlos übereinandergestapelt wurden, bis die Gruben überquollen, schlängelte sich der Zug in Richtung Richtstätte. Dort hoben sich die drei Galgen der Stadt dunkel und Unheil verkündend von dem weiß-grauen Himmel ab, der am Horizont in schneebedeckte Hügel und Felder überging.
    Schaudernd schloss Anabel die Augen, als sie dicht an einem offenbar bereits vor Tagen aufgespießten Verbrecher vorbeigeschoben wurde, aus dessen Mund das spitze Ende des Stabes hervortrat, auf den man ihn gesetzt hatte. Auch drei auf Räder gebundene Mörder boten einen grauenhaften Anblick, und als der Zug die runde Plattform in der Nähe der Galgen erreicht hatte, hätte Anabel beinahe erleichtert aufgeatmet. Dort jedoch wurde in diesem Moment die Begine von einem der grobschlächtigen Männer auf das Podest geschleudert, wo sie regungslos zu Füßen des Abtes liegen blieb. Beinahe durchscheinend hob sich ihr weiß schimmernder Körper von dem schwarzen Hintergrund des reißenden Wassers ab, das sich gurgelnd und tosend an der Böschung brach. Mit geübten Handgriffen zerschnitten zwei der Schergen ihre Fesseln, um ihre Hände auf den Rücken zu binden und zurrten Stricke um Knöchel und Hals, sodass die Bewegungsfreiheit der Gefangenen auf ein Minimum beschränkt war.
    »Dieses Weib«, hub Henricus an die Menge gewandt an, »wird beschuldigt, im Bund mit dem Teufel zu stehen!«
    Grölendes Geheul erhob sich, das Anabel die Haare zu Berge stehen ließ. Von ihrem Standpunkt aus konnte sie das makabre Schauspiel genau verfolgen, und das Mitleid mit

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