Die Launen des Teufels
Ziegenleder polierte, bevor er mürrisch in Richtung Wand zeigte. Beim Anblick der zierlichen Gestalt, die von dem durch die Tür einfallenden Sonnenlicht umspült wurde, setzte Bertrams Herzschlag für einige Sekunden aus, bevor er mit schmerzhaftem Nachdruck in seiner Kehle wieder einsetzte.
Eingefroren in der Bewegung verfolgte er, wie Anabel ein großes Holztablett auf dem Tisch abstellte, den Blick senkte und nach einigen gemurmelten Worten die Hütte verließ, um nur wenige Momente später mit einem Krug schäumenden Bieres zurückzukehren. Als auch diese Aufgabe erledigt war, verschwand sie endgültig durch den niedrigen Türrahmen und nahm alle Helligkeit mit, was zur Folge hatte, dass Bertram die Nähe des Gießers erst spürte, als es schon zu spät war. Kaum hatte er das Zischen einer durch die Luft sausenden Hand vernommen, als diese ihm mit einem hässlichen Laut den Schädel zu spalten drohte. Unfähig, den unverhofften Aufprall abzufangen, rutschte der Knabe von dem kleinen Absatz ab, den er in den Rand der Grube getrieben hatte, und schlug lang auf dem harten Boden hin.
»Du denkst wohl, du kannst hier Maulaffen feilhalten?« Ein Tritt mit dem schweren Stiefel ließ Bertram die Arme um den Kopf schlingen, um diesen zu schützen. »Mir scheint, dein Vater hat dir einige wesentliche Dinge versäumt beizubringen.« Mit diesen Worten löste der wie ein Gigant über dem im Schmutz liegenden Knaben aufragende Conrad den breiten Gürtel unter seiner Schürze, faltete ihn in der Mitte und holte aus. Der erste Hieb traf den Jungen zwischen den Schulterblättern, der zweite legte sich brennend über seinen Unterarm und sowohl der nächste als auch der folgende Schlag ließen die Haut an seiner Schläfe aufplatzen. Immer kleiner rollte er sich zusammen, um der auf ihn niederprasselnden Gewalt zu entgehen, doch mit jedem Teil seines Körpers, den er schützte, gab er einen anderen der Züchtigung des Gießers preis. Mit zusammengebissenen Zähnen flehte er um Stärke, da er sich eher die Zunge abbeißen wollte, als einem Schmerzenslaut zu gestatten, über seine Lippen zu kommen. Angestachelt von der Sturheit des Knaben drosch Conrad härter und härter auf ihn ein, bis Bertram schließlich kurz davor war, seinen Stolz zu vergessen und seinen neuen Meister um Gnade zu bitten.
»Haltet ein, Herr.« Die Stimme des stämmigen Göswin drang kaum an seine Ohren, in denen das Tosen seines Blutes zu einem wahren Orkan angeschwollen war. »Wie soll er denn arbeiten, wenn Ihr ihn zu Tode prügelt?« Einen winzigen Nu lang herrschte zornesgeladene Stille in der Glockenhütte, die lediglich vom Knistern des Essenfeuers unterbrochen wurde, bevor Conrad mit einem verächtlichen Luftausstoßen von Bertram abließ und ohne einen weiteren Kommentar an den von Anabel gedeckten Tisch trat. »Grab weiter«, flüsterte Göswin ihm mit einem mitleidigen Ausdruck auf dem breiten Gesicht zu und half ihm mit einem kräftigen Ruck auf die Beine.
Am ganzen Leib zitternd, bückte sich Bertram nach der fallen gelassenen Schaufel, wischte sich trotzig das Blut von der Wange und rammte das Blatt mit zorniger Entschlossenheit in den schweren Boden. Wenn dieser Mistkerl dachte, ihn brechen zu können, dann hatte er sich geirrt! Mit mahlenden Kiefermuskeln ignorierte er den quälenden Hunger und die sich immer weiter ausbreitenden Schmerzen an Rücken, Armen und Kopf und grub so heftig, dass ihm nach kurzer Zeit die Blasen an den Händen aufplatzten. Grimmig nutzte er den Hass und die Wut gegen den Glockengießer, um mit solcher Kraft das Loch weiter in den Grund zu treiben, dass er selbst erstaunt war über die Geschwindigkeit, mit der sein Werk fortschritt. Während Ladung um Ladung steinigen Lehms den Aushubhügel wachsen ließen, grübelte er über die Zukunft nach, die ihm im Frondienst des habgierigen Gießers bevorstand. Da seine sogenannte Lehre weder durch die Zeremonie des Andingens noch durch einen offiziellen Lehrvertrag besiegelt worden war, gab er sich keinerlei Illusionen hin, was seine Chancen auf eine anständige Ausbildung anging. Verkauft wie ein Stück Vieh, würde er in Zukunft diejenigen Arbeiten erledigen müssen, für die sich sowohl der Meister als auch die Gesellen zu fein waren, bis er an Erschöpfung, Hunger oder den Misshandlungen zugrunde ging. Eine Welle der Empörung vertrieb die eisige Furcht, die sich bei dieser Erkenntnis seiner Glieder bemächtigen wollte. Eher würde er sein ohnehin wertloses Leben
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