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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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verbreitet die Krankheit!«
    Mit einem Kopfschütteln nahm Guta dem Tonsor das beschmutzte Tuch ab, an dem sich der Infirmarius die Hände zu säubern pflegte, und ersetzte es durch ein frisch gewaschenes, das sie aus einer kleinen Tasche an ihrem Gürtel zog. »Wenn Ihr wenigstens ein wenig Rosenöl in das Handwaschwasser geben würdet«, riet sie, doch Paulus, der nur mit Mühe die Fassung wahrte, war bereits in den Raum mit den fiebernden Frauen geeilt, deren Anzahl sich inzwischen verdoppelt hatte. Wie in der Nacht zuvor untersuchte er die Frauen mit äußerster Grobheit, bevor er bei zweien von ihnen beschied: »Diese sollten das Sakrament der Beichte erhalten.« Die junge Frau, an deren Seite Anabel die Nacht verbringen sollte, bedachte er mit einem beinahe angewiderten Ausdruck auf den gut aussehenden Zügen, ehe er auch ihr Todesurteil verkündete. Anabel hatte noch kaum begriffen, was das für ihre Schutzbefohlene bedeutete, da stürmte er bereits weiter in den angrenzenden Raum, wo sich ein verunfallter Zimmermann, dessen linker Arm von einem schweren Balken zerquetscht worden war, vor Schmerzen in den schweißgetränkten Kissen wand.
    Da das Mädchen auf keinen Fall die Gelegenheit versäumen wollte, der Meisterin von der beängstigenden Begegnung mit Franciscus zu berichten, schloss sie sich der Gruppe in respektvollem Abstand an und hielt sich bescheiden im Hintergrund, während Paulus sich einem Raubvogel gleich über den schwarz verfärbten Arm des stöhnenden Mannes beugte. Nach einer kurzen Begutachtung der furchtbaren Wunde gab er dem Tonsor einen Wink, woraufhin dieser davoneilte, um kurze Zeit später mit einem kleinen Schälchen zurückzukehren.
    »Ihr wollt doch diese Verletzung hoffentlich nicht mit Gänsekot behandeln?«, fragte die Beginenmeisterin entsetzt, als ihr klar wurde, was das Gefäß enthielt. »Das wird sein Blut vergiften und er könnte nicht nur den Arm verlieren.«
    Ohne den Einwand einer Antwort zu würdigen, griff Paulus in die Schale, zog den verwundeten Arm des vor Schmerzen brüllenden Zimmermanns näher und rieb den Schmutz tief in die Wunde ein, die auf der Stelle anfing, heftig zu bluten. »Der Kot wird dafür sorgen, dass der Eiter die Wunde säubert«, erklärte er hochmütig und machte Anstalten, weiter zu eilen, doch Guta hielt ihn am Ärmel seines Habits zurück. »Ihr werdet ihn töten«, zischte sie, doch Paulus schüttelte lediglich den Kopf. »Ihr habt keine Ahnung, wovon Ihr sprecht, Weib«, presste er zwischen den Zähnen hervor. »Wenn Ihr nicht verhindert hättet, dass ich die Patientin dort drüben zur Ader lasse, würde sie nicht sterben müssen.« Der Unterton in seiner relativ hohen Stimme ließ Anabel die Haare auf den Unterarmen zu Berge stehen. »Also glaubt nicht, dass Ihr mich noch einmal zu einer solch sträflichen Nachlässigkeit verleiten könnt!« Als die Begine mit vorgerecktem Kinn seinen giftigen Blick erwiderte, zuckte dieser zu den auf einem Regal aufgereihten, von der Meisterin eigenhändig zubereiteten Tränken aus Wermut, Akazie, Osterluzei, Natterwurz und Efeu, die zur Heilung vieler einfacherer Krankheiten eingesetzt wurden, bevor Paulus wenig subtil drohte: »Wie leicht könnte jemand auf den Gedanken kommen, Ihr wäret eine Kebse des Teufels, wenn in Eurer Obhut noch mehr Seelen zur Verdammnis verurteilt werden! Vielleicht ist es auch Euch zu verdanken, dass so viele Menschen die Zeichen des Bösen aufweisen?« Er breitete die Arme aus, um auf die zahllosen, von Beulen entstellten Opfer der neuen, heimtückischen Seuche hinzuweisen, deren erste Beute Händler aus dem Osten gewesen waren. Zwar war die Zahl der Neuerkrankungen in letzter Zeit ein wenig abgeflaut, aber dennoch hatte die Plage bereits erschreckend viele Leben gefordert.
    Ohne über das Erbleichen seiner stämmigen Widersacherin zu frohlocken, wandte sich der Infirmarius brüsk ab, gab dem Tonsor mit einem Fingerschnippen zu verstehen, dass dieser ihm die Fliete zum Öffnen der Adern reichen sollte, und stürmte mit wehenden Gewändern weiter, um sein grausiges Handwerk fortzusetzen.
    Bevor Anabel sich von dem Schock erholen konnte, den die Drohung des Mönches ihr bereitet hatte, ließ Gutas Stimme sie zusammenfahren. »Lauf und hol einen Heiligen Bruder«, bat sie. »Keine dieser Frauen wird ohne Absolution auf die Reise gehen!«
    Die Bestimmtheit in ihrer Stimme duldete keinen Widerspruch, und ohne ihre eigenen Sorgen zur Sprache gebracht zu haben, zog die junge Frau

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