Die Launen des Teufels
Haferbreis rührte. Das etwa dreijährige Kleinkind auf ihrem Arm schlief noch tief, wohingegen die beiden älteren Geschwister bereits putzmunter zwischen ihren Beinen hin- und herwieselten.
»Geh in den Stall und melk die Kuh, Ida«, trug die Hausherrin dem kleinen Mädchen soeben auf, dessen feines Blondhaar in zwei Zöpfen über ihren Rücken fiel. »Und du, Uli«, setzte sie mit einem Seufzen hinzu, »schür das Feuer, damit dein Vater nicht friert.« Bei der Erwähnung des Glockengießers zog der kleine Junge augenblicklich den Kopf ein und leistete der Aufforderung seiner Mutter mit einem furchtsamen Blick zur Tür Folge. Als die Suche seiner grau-blauen Augen bei Bertram endete, riss er erstaunt den Mund auf, doch bevor er die Anwesenheit des Fremden kommentieren konnte, wandte sich seine Mutter um und zog die Brauen in die Höhe.
»Du musst Bertram sein«, stellte sie nach einem kurzen Moment pragmatisch fest, und als Bertram, der zum ersten Mal den Wohnbereich des Hauses betrat, schüchtern nickte, trat sie auf ihn zu und streckte ihm mit einem freundlichen Lächeln die Hand entgegen. »Willkommen«, sagte sie schlicht und setzte nach kurzem Lauschen in die Finsternis des Korridors hinzu: »Wenn du hungrig bist, kannst du jederzeit außerhalb der Mahlzeiten hierher kommen.« Das Lächeln, das ihre bleichen Lippen teilte, ließ für den Bruchteil eines Augenblickes erahnen, wie hübsch sie noch vor wenigen Jahren gewesen sein musste. »Wenn Conrad außer Haus ist.« Der gequälte Unterton in ihrer angenehmen Altstimme, sowie die tiefen Ringe unter ihren Augen verrieten Bertram, dass der Glockengießer auch innerhalb seiner Familie ein eisernes Regiment führte. »Setz dich«, lud Gertrud ihn nach einem letzten aufmunternden Lächeln ein und schob das Kind auf ihrer Hüfte zurecht. Mit der Linken angelte sie eine hölzerne Schüssel von dem an der Wand entlang laufenden Regal, tauchte die Kelle in den Brei und stellte die dampfende Mahlzeit vor Bertram auf den Tisch. »Iss«, befahl sie knapp, und als der Knabe zögerte, wiederholte sie die Aufforderung.
Während er gierig den Haferschleim hinunterschlang, ließ Bertram neugierig den Blick durch die Küche streifen. Neben einem gemauerten, lehmverputzten Brotofen lehnten vier unterschiedlich lange Backbretter, mit denen die frisch gebackenen Laibe aus der Öffnung geangelt werden konnten. Der Holztisch, an dem Bertram saß, wurde an einer Seite von einem Kamin begrenzt, vor dem eine feine Schicht Ruß den Küchenboden bedeckte. Die übrigen Wände zierten einfache Holzregale, auf denen sich Geschirr, Ton- und Holzgefäße in allen Größen und Formen, sowie getrocknete Kräuter und kleine Gewürzsäckchen drängten. In der Nähe eines Waschzubers zeugte ein mächtiges Bierfass vom Durst seines Besitzers, und die kleineren Behältnisse ließen vermuten, dass es den Bewohnern dieses Hauses selten an gepökeltem Fleisch und eingelegtem Fisch mangelte.
Ein wehmütiges Seufzen unterdrückend, dachte Bertram an die Zeiten zurück, als es im Haus seines Vaters ähnlich zugegangen war. Die Erinnerung an sein Elternhaus wollte ihm gerade den Appetit verderben, als das Näherkommen wuchtiger Schritte die Ankunft des Gießers und seiner Gesellen verkündete. Kurz darauf krachte die Tür gegen die Wand und der riesenhafte Hausherr erschien im Rahmen. Mit einer einzigen Bewegung des Kopfes erfasste er die Situation, schnellte auf Bertram zu und riss diesen am Schlafittchen von der harten Bank, auf der der Knabe sich niedergelassen hatte. Den Mund noch voller Haferbrei, konnte Bertram nicht einmal einen erschrockenen Ausruf ausstoßen, als der Handrücken seines Herrn ihm beinahe die Nase brach. Dem ersten Schlag folgte ein wahrer Hagel von Ohrfeigen, und erst als der Junge schlaff in der Pranke des Meisters hing, ließ dieser von ihm ab, schleuderte ihn in eine Ecke und war mit drei Schritten bei seiner Gemahlin, die er ebenfalls ohrfeigte.
»Seit wann fängt das Stallvieh an zu fressen, bevor sein Herr etwas gegessen hat?«, donnerte er heiser, und während Bertram sich mit den Ellenbogen zurück auf die Bank zog, senkte Gertrud beschämt den Blick und stotterte: »Es tut mir leid. Ich dachte, es wäre besser, wenn er schon fertig ist, bevor ihr kommt.« Ihre Stimme erstarb, als Conrad erneut ausholte, doch dieses Mal gefror seine Bewegung in der Luft.
»Du bist nicht einmal die Prügel wert, Weib!«, zischte er verächtlich, schob seinen Sohn, der wie erstarrt den
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