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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Aufgepeitscht von dem mit so unvermuteter Heftigkeit entfachten Gefühl, verdrängte er das schmerzhafte Ziehen in seiner Lendengegend, das sich sofort auf Umwegen zurückschlich, als Anabels ein wenig wehmütiges Gesicht vor seinem inneren Auge auftauchte. Mit fliegenden Fingern stopfte er Scheit um Scheit in die Aussparung unter dem Schmelztiegel und versuchte, das Brodeln seines Blutes unter Kontrolle zu bringen. Wie wundervoll sie ist!, dachte er sehnsüchtig, während er nach einem Kienspan griff, um diesen an der tief unter der Asche versteckten Glut zu entzünden. Wie kann ein solch zauberhaftes Wesen einen Grobian wie Conrad zum Vater haben?, fragte er sich, doch bevor er den Gedanken vertiefen konnte, polterten der Meister und seine beiden Gesellen in den nach Glockenschmelze und Pferdemist stinkenden Raum.
    Ohne den Knaben eines Blickes zu würdigen, stapfte Conrad auf die an der rückwärtigen Wand befestigten Haken zu, an denen die ledernen Schürzen der Gießer hingen, zwängte seinen Kopf hindurch und befahl Göswin und Anselm, die sorgfältig in einer Ecke aufgestapelten Kupfer- und Zinnbarren auf die große Waage nahe der Esse zu hieven.
    »Zwanzig-achtzig«, wies er knapp an und tauchte eine Schaufel in den zwei Tage alten Dung, um diesen in eine separate Karre zu häufen. »Wir setzen zuerst die Schmelze für die Elisabethglocke an«, schnaufte er, beendete die begonnene Arbeit und trat an einen der ebenerdigen Speiser heran, der so weit in Richtung Straße lag, dass er Bertram noch gar nicht aufgefallen war. »Dann kann diese hier gehoben werden. Sie ist fertig«, stellte Conrad fest, nachdem er neben dem Loch auf die Knie gegangen war und daran geschnuppert hatte. »Und du«, wandte er sich schließlich mit einem gewitterhaften Ausdruck an Bertram, der die Lider niederschlug, um den aufbrausenden Gießer nicht noch mehr in Rage zu bringen. »Du gräbst ein neues Loch.« Mit diesen Worten warf er Bertram die Schaufel vor die Füße, packte ihn am Rockkragen und zerrte ihn auf das entgegengesetzte Ende der Werkstatt zu, wo er auf den harten Lehmboden deutete. »Hier.« Mit einem geübten Griff zog er einen etwa zehn Zoll langen Eisenstab aus der Tasche, bückte sich und umriss ein Quadrat von etwa sechs auf sechs Schritt. »Du hast bis heute Abend Zeit. Dann will ich eine Grube sehen, die so tief ist, dass ich ohne Mühe darin stehen kann.« Eine Seite seines Gesichtes verzog sich böswillig. »Vorher gibt es nichts zu essen.«
    Die Ungläubigkeit, die sich auf Bertrams Zügen ausbreitete, als er die Erdmengen überschlug, die er dafür bewegen musste, ließ Conrad ein bellendes Lachen ausstoßen. »Und denke nicht, dass du vorher schlafen gehen kannst.«
    Damit war die Sache für ihn erledigt, und er wandte dem Jungen den breiten Rücken zu, um sich gemeinsam mit Anselm um das Ausheben der Erde über der fertiggestellten Glocke zu kümmern und diese aus ihrem Mantel aus gebranntem Lehm zu befreien. Da Bertram aus den kurzen Unterhaltungen mit Göswin gelernt hatte, dass das Ansetzen der neuen Schmelze nur mehrere Stunden in Anspruch nahm, vermutete er, dass das Loch, an dem er sich die Hände wund schaufeln würde, nicht für die eben genannte Elisabethglocke bestimmt war, da das Mauern eines Kerns und das Brennen eines Mantels sicherlich nicht an einem Tag vonstatten ging. Vermutlich wartete die Form dieser Glocke bereits unter der Erde – nur mit dem länglichen Loch des Speisers, durch den die flüssige Bronze eingefüllt wurde, mit der Oberfläche verbunden.
    Mit einem gedämpften Stöhnen rammte er das leicht gekrümmte Schaufelblatt in den Boden und beförderte den mit Kalksteinbrocken durchsetzten Aushub an die angewiesene Stelle. Wahrscheinlich durfte er die gesamte Prozedur umgekehrt wiederholen und das Loch zuschaufeln, wenn der in der Grube gemauerte Glockenkern ausgebrannt war, damit die Form dem enormen Druck des Gusses standhalten konnte. Was für wundervolle Aussichten! Lediglich die Hoffnung, Anabel wiederzusehen, ließ ihn die Qualen überstehen, welche die nächsten Stunden für ihn bereithielten. Tiefer und tiefer grub sich die von den zum Teil kinderkopfgroßen Gesteinsbrocken abprallende Schaufel, und als sich nach einer scheinbaren Ewigkeit die Tür öffnete, war Bertram kaum bis zur Knietiefe vorgedrungen.
    »Wurde auch Zeit«, hörte er Conrad zischen, der die verkrustete Bronzeoberfläche der inzwischen freigelegten Glocke nach dem Abbürsten mit einem Lappen aus weichem

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