Die Launen des Todes
Fachbereich?«
»Mr. Dunstan«, sagte ich.
»Dunstan?« Er wirkte verwirrt. »Ist das vielleicht Tony Dunstan, der Mediavist?«
»Nein, es ist Jack Dunstan, der Obergärtner«, sagte ich.
Nachdem er seine Überraschung darüber, was ihn nicht wenig amüsierte, überwunden hatte, gab es für mich keinen Grund, nicht vollkommen offen zu ihm zu sein. Ich erklärte, dass mir Sam Johnson einen Job in der Gärtnerei besorgt hatte, und da ich nicht nur sein Student war, sondern auch ein enger Freund von ihm, war es mir durch die guten Dienste seiner Schwester zugefallen, als sein literarischer Nachlassverwalter zu fungieren.
»Sam sollte einen Vortrag bei der Konferenz halten«, schloss ich meine Ausführungen, »und als das Programmkomitee mich kontaktierte und fragte, ob ich sein Referat
in loco praeceptoris
vortragen wolle, fühlte ich mich seinetwegen verpflichtet zuzusagen. Ich nehme an, dass man daraufhin seinen Namen generell durch meinen ersetzt hat, wodurch ich in die Quästoren-Wohnung einquartiert wurde.«
»Ja, so wird’s wohl gewesen sein«, sagte er, aber ich befürchte, er schätzte noch nicht einmal Sam hoch genug ein, damit dieser es verdient gehabt hätte, sein Mitbewohner zu sein.
Tatsächlich machte ich mir bereits selbst darüber Gedanken, und ich glaube, ich weiß, woher der Wind weht. Im Programmheft wird Sir Justinian Albacore, dem Dekan des St. Godric’s, unter dessen Auspizien wir an der Universität zu Gast sind, besonderer Dank erwiesen. Bei dem Namen klingelt’s bei mir. Könnte es sich um jenen J. C. Albacore handeln, dessen Abhandlung über die dunkle romantische Seele,
Die Suche nach Nepenthe
, Sie wahrscheinlich kennen? Ich habe das Buch nie gelesen, aber oft gesehen, war es doch unter das gebrochene Sofabein in Sam Johnsons Arbeitszimmer geschoben. Denn niemanden hasste Sam in seinem Leben mehr als diesen Mann. Sam zufolge hatte er Albacore bei der Abfassung der
Nepenthe
sehr geholfen, und dieser hatte es ihm gedankt, indem er ihm sein Beddoes-Projekt vor der Nase wegschnappte! Sam schöpfte Verdacht, als er feststellte, dass jemand vor ihm in einigen nur selten aufgesuchten Archiven gewühlt hatte. Schließlich wurde publik, dass Albacore an einer kritischen Beddoes-Biographie arbeitete, die 2003 erscheinen soll, zum zweihundertsten Geburtstag von TLB . Und kurz vor seinem Tod spuckte Sam Gift und Galle, als er das Gerücht aufschnappte, Albacores Verleger wolle das Buch bereits Ende 2002 veröffentlichen, um als Erster auf dem Markt zu sein.
Ich bezeichnete mich Dwight gegenüber als Sams literarischen Nachlassverwalter, was nicht ganz stimmt. In Wirklichkeit, Sie haben wahrscheinlich davon gehört, beschloss Linda Lupin, Abgeordnete des Europaparlaments, Sams Halbschwester und einzige Erbin, in ihrer Großzügigkeit, Sams Forschungsarbeiten in meine Hände zu geben. Wahrscheinlich wird es Sie nicht überraschen, wenn Sie hören, dass der Verleger, bei dem Sams Biographie erscheinen soll, davon nicht gerade begeistert war.
Ich kann seinen Standpunkt verstehen. Wer bin ich denn? Literarisch ein Nichts, obwohl meine »bunte« Vergangenheit etwas ist, was den Vertrieb sehr wohl angekurbelt hätte, wäre nur keine Konkurrenz erwachsen. Doch nachdem Albacores Buch bereits als die »definitive« Biographie vermarktet wurde, kamen sie zu dem Schluss, dass sie dem schlechten Geld noch gutes nachwerfen würden, wenn sie mich Sams Arbeit hätten fortsetzen lassen.
Also, tut uns Leid, Kumpel, keinen Vertrag für das große Buch, auf das Sam abgezielt hatte.
Sie machten jedoch einen Alternativvorschlag.
Da Beddoes’ Leben kaum dokumentiert ist, hatte Sam in sein Skript Abschnitte eingeflochten, die er ganz klar als »imaginierte Szenen« bezeichnete. Diese, wie er in der ersten Fassung des Vorworts erklärt, tragen nicht den Anspruch, ausführliche Beschreibungen tatsächlicher Ereignisse zu sein. Manche basieren zwar auf gesicherten Fakten, andere allerdings sind lediglich fantasievolle Projektionen, erfunden, um dem Leser ein Gespür für die realen Gegebenheiten von Beddoes’ Leben zu vermitteln. Viele von ihnen, so vermute ich, wären in der Endfassung noch stark überarbeitet oder ganz gestrichen worden.
Was, wurde ich gefragt, würde ich denn dazu sagen, wenn ich den größten Teil des literaturkritischen Zeugs rauslasse, mir noch einige dieser »imaginierten Szenen« ausdenke, sie mit knisterndem Sex und handfester Gewalt würze und eine dieser Pop-Biographien produziere,
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