Die Lautenspielerin - Roman
ein, wozu das Wams gut ist. Jetzt zeig mir, wie du das gemacht hast!«, sagte Gerwin.
In den nächsten Stunden erteilte Seraphin dem Lehrling des Wundarztes erste Lektionen im Fechten, die dessen volle Konzentration und vollen Körpereinsatz forderten. Durchgeschwitzt und außer Atem sank Gerwin schließlich auf die Bank. Mittlerweile war das Gut zum Leben erwacht, und aus der Küche zogen verlockende Düfte über den Hof.
»Machen wir eine Pause? Ich bin am Ende meiner Kräfte. Ich gebe zu, dass ich mir das Fechten einfacher vorgestellt hatte.«
»Das denken die meisten, die noch nie ernsthaft eine Klinge führen mussten. Und wir haben erst die einfachsten Grundstellungen geübt.« Auf Seraphins Stirn waren keine Schweißperlen zu sehen.
»Warum sieht es bei dir so mühelos aus? Ich hingegen komme mir vor wie ein Schlachter, der mit seinem Beil die Schweinekeulen zerteilt.« Kopfschüttelnd wischte sich Gerwin mit seinem Ärmel die Stirn.
Lachend schlug Seraphin ihm auf die Schulter. »Komm, wir werden dich jetzt mit einem kräftigen Frühstück aufpäppeln. Mit mir darfst du dich nicht vergleichen. Aus meiner Familie stammen Schlangenmenschen, Jongleure und Taschendiebe. Mit drei Jahren konnte ich bereits Rückwärtssaltos und andere Kunststückchen, und mit fünf habe ich die ersten Geldbeutel abgeschnitten.« Seraphin machte eine geschmeidige Handbewegung. »Fingerspitzengefühl. Das benötigst du auch für die Führung des Degens.«
Seite an Seite schritten sie auf den Eingang der Küche zu, und Gerwin entgingen nicht die bewundernden Blicke einiger Mägde,
die Seraphin unter gesenkten Lidern anschmachteten. In der großen Küche herrschte das übliche geordnete Durcheinander, das Gerwin bereits in Dörnthal fasziniert hatte. Auch hier hatte eine stattliche dralle Köchin das Sagen und beorderte Gerwin und Seraphin an einen Tisch in der Ecke. Eine junge Magd brachte einen Krug Milch und zwei Schüsseln mit heißer Grütze, dazu Trockenfrüchte und warmes Brot. Hungrig machte Gerwin sich über das üppige Mahl her.
Während sie aßen, scharwenzelte eine wohlgerundete, hübsche Magd um sie herum. »Möchtet Ihr noch Milch?«, fragte sie nun bereits zum dritten Mal.
Gerwin kam Seraphin, der bereits unwirsch die Stirn runzelte, zuvor: »Danke, hübsches Kind, wir haben alles.«
Beleidigt und mit einem aufreizenden Schwung der Hüften schritt die Magd davon.
»Sie ist ein launisches Ding, das seinen Preis hat, aber den ist sie wert.« Genüsslich wischte Seraphin sich die schön geschwungenen Lippen und weidete sich an Gerwins überraschter Miene.
»Du hast … mit ihr?«, fragte Gerwin und nahm den Butterrest mit seinem Brot auf.
»Und warum nicht?«
Verlegen stotterte Gerwin. »Ich dachte nur, dass du und Herr Jerg … Ach, was weiß ich schon …«
Seraphin beugte sich vor und sah ihm tief in die Augen. »Lass dir eines gesagt sein, Gerwin, Amor kennt keine Regeln.« Seine Hand glitt unter Gerwins Hemd und zog das silberne Kreuz, das er an einem Lederband trug, hervor. »Das ist deine Wahrheit. Aber ist es die Wahrheit?«
Unter Seraphins Berührung hatte Gerwin den Atem angehalten, und um sich aus dem Bann des schönen Tänzers zu befreien, nahm er ihm das Kreuz aus der Hand und versteckte es wieder unter seinem Hemd. »Ich habe nicht gesagt, dass es falsch ist.«
»Aber gedacht, oder?« Seraphin erhob sich mit einem beunruhigenden
Lächeln, und Gerwin beschloss, sich nicht noch einmal vorführen zu lassen wie einen grünen Jungen.
9
Nach der Sonntagspredigt waren Ulmann und Afra zum Mittagessen ins Gasthaus gegangen, während Thomas, Endres und Jeanne der Einladung des Apothekers Johann Zobeltitz gefolgt waren, des stolzen Inhabers der gut bestückten Apotheke in Mulda. Zudem gehörten ihm zwei weitere Häuser im Ort, die er vermietete.
Die Gattin des Apothekers war klein und rundlich und von überschäumender Freundlichkeit. Sie hatte für eine reich gedeckte Tafel gesorgt, und Jeanne schmeckte mit geschlossenen Augen dem Mandelkuchen nach, den sie eben verzehrt hatte. Die Männer erhoben sich bereits, und Jeanne nutzte den Augenblick, um Ruth Zobeltitz zu danken. »Lange habe ich nicht so himmlisch gespeist wie bei Euch, und Ihr seid mit einer reizenden Familie gesegnet.«
Ruth tätschelte ihr liebevoll die Wange. »Liebes Kind, besucht uns recht bald wieder.« Sie zwinkerte verschmitzt. »Mein Sohn wäre ganz besonders erfreut. Seid Ihr schon jemandem versprochen? Verzeiht die
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