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Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
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unvollkommenes Ideal, trotz all seiner Fehler, Ungerechtigkeiten, trotz seiner Zynismen ein Mann, zu dem er aufschaute. Aufgeschaut hatte.
    Es klang so ungeheuerlich, dass er es zuerst nicht begriff: Sein eigener Chef, Reginald MacGinnis, der abgeklärte, häufigschlecht gelaunte, an allen Kampffronten und Einsatzorten der Welt erprobte Reginald MacGinnis, wollte und konnte die Welt zerstören!
    Unvermittelt trat MacGinnis in den Besprechungsraum.
    »So«, meinte er lakonisch, »haben Sie in meinem Tagebuch gestöbert?«
    Joe Hutter stellte sich hastig zur Seite und tat so, als sei er nicht erwischt worden. Aber MacGinnis schien eher amüsiert zu sein als böse oder aufgebracht.
    »Wenn ich es jetzt nicht tue, dann machen es die Menschen eben selbst. Früher oder später werden sie diesen Planeten zerstören.«
    »Das ist doch Wahnsinn!« Joe war fassungslos.
    »Was ist dann Vollums Bakterium?«, fragte MacGinnis verächtlich, »etwa der Inbegriff der geistigen Gesundheit?« Er schnaubte.
    Joe ging langsam zu seinem Schreibtisch und öffnete die obere Schublade. Er schob das Foto von Franziska zur Seite und angelte sich seine Pistole, die er für alle Notfälle bereithielt. Er richtete die Waffe auf MacGinnis.
    »Nun, wollen auch Sie zum Mörder werden, Hutter? Sie mit Ihren hehren Idealen?« MacGinnis lachte laut auf.
    »Sie wollen die Welt zerstören. Das ist Größenwahn!«
    »Die Welt retten zu wollen, Hutter«, schnaufte MacGinnis überheblich, »ist doch eine ebensolche Hybris, wie sie vernichten zu wollen! Also: Weshalb verurteilen Sie mich?«
    »Ich verurteile Sie nicht«, antwortete Joe ruhig, »ich will nur leben.«
    »Leben? Sehen Sie sich diese Welt doch an«, flüsterte der Alte.
    Joe schüttelte den Kopf.
    »Sie machen sich keine Vorstellung, Hutter, wie schwierig das alles war. Zuerst habe ich diese Einfaltspinsel von Schatzsuchernbeauftragt, die nicht einmal ihren eigenen Arsch finden, wenn sie darauf fallen. Aber dann, als dieser Geysir losbrach, kam mir endlich die Idee, die Natur könnte das ja auch selbst in die Hand nehmen. Von da an wollte ich die Bergung nur noch verhindern.«
    Joe starrte ihn nur an.
    »Verstehen Sie doch, Hutter«, appellierte MacGinnis wieder und sah ihn väterlich und voller Güte an. »Selbst wenn das jetzt ganz anders auf Sie wirkt, aber ich tue das nicht aus Hass, sondern aus Mitleid.«
    »Aber …«
    »Hatten Sie mir denn nicht selbst gesagt«, fragte Reginald MacGinnis und beugte sich ganz weit vor über den Tisch zu Joe, »dass der Mensch ein Bazillus ist, den die Erde zu ihrem Besten wieder loswerden sollte?«
    Joe hörte die ganze Verachtung, die MacGinnis in sich fühlte.
    »Dabei habe ich doch nicht an Massenmord gedacht!«, protestierte er. Die Waffe in seiner Hand zitterte.
    »Zu jedem kühnen Denker«, entgegnete MacGinnis, »gehört ein Mann der Tat, der dessen Visionen Wirklichkeit werden lässt.«
    »Sie sind …«, Joe tat sich schwer daran, das Offensichtliche auch auszusprechen, »… verrückt!«
    »Ich dachte, Sie würden mich verstehen«, antwortete MacGinnis mit vorwurfsvoller Stimme. »Es war doch ihr Großvater, Hutter, der auf die glorreiche Idee gekommen ist, das mutierte Super-Bakterium in die Bomben zu stecken!«
    Joe war schockiert – stimmte das? Oder sagte MacGinnis das nur, um einen Vorteil zu gewinnen?
    Fast fröhlich sprach MacGinnis weiter: »Bedenken Sie doch, Hutter, welch wundervolle Entdeckung das eigentlich war: Wenn der Vulkan den Erreger in die Atmosphäre bläst,wird er sich über die gesamte Erde verteilen. Sicher, die Mehrzahl der Säugetiere wird ihm zum Opfer fallen. Einige aber werden resistent sein, einige werden überleben – aber es können nicht genug Menschen sein, um der Welt weiterhin zu schaden. Helfen Sie mir, und wir verschaffen der Welt eine Atempause, die sie so dringend benötigt. Ein Durchschnaufen, eine Zeit der Regeneration. Wir schenken der Welt endlich Frieden, das tausendjährige Friedensreich, das alle heilige Schriften prophezeit haben.«
    Als er merkte, dass er Hutter nicht auf seine Seite ziehen konnte, ließ MacGinnis’ Begeisterung plötzlich nach.
    »Ach kommen Sie, Hutter. Sie wissen doch, dass ich recht habe!« Er versuchte es ein letztes Mal, aber ihm war längst klar, dass er Hutter nicht gewinnen konnte. Er warf Joe einen dieser verwirrenden Blicke zu, müde und einsam zugleich, ein leerer Blick, der völlige Hoffnungslosigkeit verriet. Ein erschöpfter Mann, der nichts mehr erwartete als den

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