Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin

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Tauchgang zurückkehrte und am Ufer auf Franziska mit ihrer Kamera traf.
    Franziska lachte laut auf. »Du bist mir ein Angsthase!«
    Dann verabschiedeten sie sich. Kaum hatte sie den Hörer in die Ladestation geklinkt, hüpfte das Gerät nach rechts davon – erneut ein Beben, das die gesamten Möbel zum Vibrieren brachte. Sie hörte das Geschirr in der Küche klirren.
    Eine kleine Nippesfigur aus Keramik, ein Dagobert Duck in Frack, mit Zylinder und erhobener Zeigefeder, sprang vom Regal und zerschellte auf dem Boden. Franziska betrachtete den zertrümmerten Erpel.
    Der Ausbruch rückt näher, wurde Franziska mit einem Mal bewusst.
    Es ist wirklich Zeit, etwas zu tun, dachte sie.
    Ich bin launisch wie ein Weib, dachte Joe, als er aufgelegt hatte und seine Stimmung unvermittelt von heiterer Freude in tiefstes Grau umschlug. Er litt unter seinen Lügen, er war sie satt, doch er durfte ja nicht die Wahrheit sagen.
    Manchmal hasste er seinen Beruf.
    At home I am a tourist , dachte Joe – sogar dort, wo ich zu Hause bin, bin ich nur Durchreisender.
    Er schenkte sich noch einen Glenmoriston ein.
    Müde und gelangweilt zappte er durch die Fernseherkanäle, sah explodierende Autos, Menschen mit Geldschulden, ungehorsame Hunde und untalentierte Sänger, die amerikanischen Hitparaden-Soul nachjaulten. Eine Moderatorin erklärte, dass die Ursache von Kopf- und Rückenschmerzen bei Frauen in Deutschland zur Hälfte in der falschen BH-Größe liege.
    Er schaltete den Fernseher aus.
    Er erinnerte sich an die Schläge seines Vaters bei jedem Mal, wenn der ihn bei einer Unwahrheit ertappt hatte. Er weinte damals nie; weinen hieß, eine Schwäche zuzugeben, und er verachtete Schwäche. Sein Vater schlug ihn aus Liebe … Was tat man nicht alles aus Liebe? Die komischsten Sachen.
    Er hatte geweint, als seine Eltern starben, Rotz und Wasser geheult und konnte gar nicht mehr aufhören damit. Er wusste selbst nicht, ob er um sie trauerte oder um sich. Er fand mittlerweile nicht mehr, dass Schwäche immer schlecht war. Schwäche konnte eigentlich Stärke sein. Nur nicht bei seinem Job: Da bedeutete Schwäche Risiko, und Risiko bedeutete Gefahr.
    Jetzt leiste ich mir diese billigen Sentimentalitäten, dachte Joe, und morgen funktioniere ich wieder wie immer.
    Er löschte das Licht. Die Dunkelheit, die ihn umgab, war nicht schwarz und finster, nur grau, unentschlossen und müde. Einzelne blasse Streifen des Mondlichts drangen durch die Schlitze der Fensterläden und krochen selbst unter seine geschlossenen Lider. Er warf sich von der einen Seite auf die andere, krümmte sich zusammen wie ein Embryo. Aber er fand keinen Schlaf.
    Er lag noch mehrere Stunden wach, nachdem er die Lampe ausgeschaltet hatte. Dann schlief er endlich ein.
    Er träumte von Franziska. Das war das einzig Gute, von dem er träumen konnte.

2
    »Ich darf noch einmal daran erinnern«, erklärte Gerd Schmidtdresdner und stieß dabei wichtigtuerisch seinen Zeigefinger in die Luft, »dass die Waffen nur zur Verteidigung gedacht sind.«
    Er nahm eine der Harpunen in die Hand und richtete sie gegen die Zimmerwand. Er drückte ab. Der Metallpfeil schnellte heraus, schlug mit einem lauten Knall ein, drang durch den Putz und bohrte sich daumentief in die Ziegelmauer.
    »Richtet sie gegen Beine oder Arme!«, bläute er seinen Tauchern ein. »Wir wollen das Gold, wir sind keine Mörder. Aber rechnet stets damit, dass ihr bedroht werden könntet.«
    Am Abend zuvor hatte Gerd Schmidtdresdner einen Anruf seines anonymen Informanten erhalten. »Beeilen Sie sich!«, hatte der Mann gesagt. »Das gegnerische Team ist dem Flugzeug bereits sehr nahe gekommen. Wenn Sie die Goldbarren bergen wollen, müssen Sie unverzüglich handeln!«
    Gerd Schmidtdresdner hatte das nicht gern gehört. Es steckte schon so viel Geld in dieser Operation. Etliches davon hatte der anonyme Tippgeber vorfinanziert, er würde dafür auch einen bestimmten Anteil erhalten, große Teile stammten allerdings auch aus Schmidtdresdners Privatvermögen. Das durfte keine Fehlinvestition werden. Er finanzierte die Taucher – von denen einer bereits ausgefallen war. Zudem hatte er bereits Unsummen für das modernste technische Equipment ausgegeben. Dennoch – sollte er auf dieGoldbarren stoßen und sie aus dem Flugzeugwrack bergen können, wäre er ein gemachter Mann.
    Und nun mussten sie sich plötzlich beeilen. Wenn er nicht rasch vorankam, würden ihm andere seinen Schatz wegnehmen. Also hatte er sein Team