Die Lava
Reißzahn eines Seeungeheuers. Ein Fischschwarm schwamm hinein und verschwand im Dunkeln.
Das Cockpit war größtenteils intakt geblieben, das Glas aber gesplittert, der Rumpf – so weit Joe das sehen konnte, denn er ragte nur wenig über die braune Bodenschicht – zeigte keine größeren Risse, besonders nach unten hin nicht, wo sich die Klappe für die Bombenabwürfe befand.
Vermutlich unbeschädigt!, stellte Joe erleichtert fest.
»Ich habe die Halifax«, sprach er klar und deutlich in sein Funkgerät. GPS würde den Rest erledigen.
Es konnte dieses Mal keinen ernsthaften Zweifel geben: Das war das Wrack der Handly Page Halifax!
Joe tauchte auf die Pilotenkanzel zu.
Wie oft hatte er am Simulator für diesen Augenblick trainiert, doch nun schien er sich an nichts erinnern zu können. Sein Gedächtnis war wie leergefegt. Kalter Schweiß rann seinen Rücken hinunter. Es ist nur die Aufregung!, sprach er sich selbst Mut zu. Er erkannte ein Detail an dem Paneel mit den Anzeigen wieder, und plötzlich kehrte das eingeübte Bild zurück.
Auch wenn das Glas geborsten war und den Weg in die Pilotenkanzel freigab, so hielt, wenn auch gebogen und gekrümmt, doch die Metallverstrebung, in die die Scheiben einst gespannt waren. Einfach war es nicht, durch dieses Gitter zu kommen, doch es gelang Joe nach mehreren Versuchen. Nun musste er sich selbst hinabstürzen auf den Boden des Cockpits. Er tauchte hinein wie ein Turmspringer ins Becken. Wie Streichhölzer in einem Briefchen befanden sich zwei Reihen weißer Hebel mit runden schwarzen Köpfen in dem ohnehin kleinen Raum. Joe tauchte seitwärts an ihnen vorbei und kam zum Pilotensitz. Von dort versuchte er, wie er es am Modell des Flugzeugs geübt hatte, eine Wendung um neunzig Grad, damit erreichte er den Fußbodender zweiten Ebene der Kanzel, der etwas tiefer lag als der erste und wo er die Tür ins Innere der Halifax zu finden hoffte.
Als er diese zweite Ebene erreicht hatte, stellte er sich mühsam auf die Füße. Schlamm und Algen bedeckten das Cockpit, so dass die Anzeigen mehr zu erahnen als zu erkennen waren. Runde, zylindrische Anzeigen füllten sein Sichtfeld, er musste nun die Taschenlampe einschalten, um besser sehen zu können. Rechts ragte ein schwarzer Kasten unterhalb der rechten Verstrebung des Fensters heraus, eine zentimeterdicke Schlammschicht lag darauf, und in einem Reflex wischte Joe sie weg. Minutenlang, so schien es ihm, trübten die Schwebeteilchen danach seine Sicht. Er musste geduldig abwarten, bis sie sich einigermaßen gesetzt hatten.
Die tiefere Ebene, auf der er nun stand, beengte ihn noch mehr als der Teil der Kanzel mit dem Pilotensessel. Ursprünglich hatte hier eine Bank mit zwei gepolsterten Sitzen gestanden. Der harte Aufschlag auf den See hatte sie gegen die Decke gehebelt und das Gestänge völlig verbogen. Jetzt hingen die Beine der Sitzbank zu ihm herunter wie Stalaktiten in einer Tropfsteinhöhle. Einige Elektrogeräte befanden sich links von ihm, aus einigen schaute ein Kabelwirrwarr heraus. Er drehte den Kopf, und der Strahl seiner Taschenlampe erhellte schwach ein graues Geländer, in großen weißen Stahlösen geführt. Hier musste es weiter in den Rumpf gehen.
Joe wendete sich vorsichtig um. Bisher hatte er in die imaginäre Flugrichtung geblickt, nun galt es, dieser den Rücken zuzuwenden. Ein weiterer, völlig verbogener Klappstuhl lag ihm im Weg, und hinter diesem Sitz führte eine Tür in den Rumpf. Die Tür stand offen, war aber durch den Aufprall aus den Angeln gerissen und in sich verbogen. Joe tastete sich näher heran, fasste fest an den Griff. Die Tür war völlig verrostet, und mehrere Versuche Joes, sie zu bewegen, scheiterten.Es klaffte nur ein kleiner Spalt von der Kanzel zum Inneren des Flugzeugs, und durch diese enge Lücke musste Joe sich nun hindurchzwängen.
Vorsichtig, zuerst mit den Händen nach Widerständen oder scharfkantigen Wrackteilen fühlend, presste sich er durch das Loch und tauchte in den Rumpf hinein.
Wo genau lag der Bombenschacht?
Joe studierte die Skizze, die er bei sich trug, aber sie half ihm nur wenig. Alles war, als das Flugzeug vom Himmel fiel, nach vorn gestürzt, und als der Schwanz dann auf dem Seegrund unterhalb des Vorderteils zu liegen kam, nach hinten gerutscht. Jetzt lagen die Trümmer im ganzen Rumpf verstreut. Flüchtig erkannte er verrutschte und halb vermoderte Kisten, wuchernde Algen, Schläuche und Metallstreben, die in den Weg ragten. Überall herrschte
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