Die Lava
kreuzförmigen Schatten mit der flachen Hand ab.
Ihnen war bewusst, dass nun alles schnell gehen musste.
»Wir können keine Rücksicht mehr darauf nehmen«, meinte Neal, »ob die Bevölkerung etwas von unserem Projekt mitkriegt oder nicht. Ich fahre Hutter jetzt an die Stelle«, er klopfte mit der Faust auf die Karte, »und er findet heraus, ob es dieses Mal ein Treffer ist. Wenn nicht, fahren wir zum nächsten Kreuz weiter, und wenn auch das eine Niete ist, zu dem nächsten Ziel.«
MacGinnis nickte, und sie hasteten sofort los, durch den in Folien gehüllten Gang, durch die Fluten der Touristen, die murrten, weil die Abtei wegen der Bebenschäden gesperrt und nicht mehr zu besichtigen war, hin zum Bootssteg.
Auf dem Boot verlor Joe das GPS- Gerät keine Sekunde aus den Augen, selbst als er den Taucheranzug überstreifte. Langsam hob er den Arm.
»Stopp!«, sagte er dann und sprang in den See.
Er fiel senkrecht herab, tiefer, bis zum Grund. Es umgab ihn die übliche Finsternis, und er erlaubte sich einige Sekunden, um sich an die Sichtverhältnisse zu gewöhnen. Nur wenige Gesteinsbrocken und vereinzelte Kiesel unterbrachen die eintönige Schlammlandschaft des Seebodens unter ihm. Über sich erkannte er, schon ganz klein, den Schattenriss des Bootes. Er griff an seine Hüfte, fühlte nach seiner Waffe.
In der Ferne glitt ein Schwarm Fische vorbei, aber Joe konnte keine anderen Taucher ausmachen. In den letzten beiden Tagen hatte MacGinnis für eine verstärkte Polizeipräsenz gesorgt. Beamte patrouillierten entlang der Ufer. Jeder, der hier tauchte, stand bereits mit einem Bein im Gefängnis.
Eine Strömung zog ihn. Sie fühlte sich warm an. Joe ließ ein kleines neongelbes Plastikteilchen los, es trieb erstaunlich schnell von ihm weg. Er selbst bot dem Wasser eine größere Angriffsfläche – vermutlich hatte es ihn während seines Tauchabstiegs über ein Dutzend Yards von der eigentlichen Zielstelle weggespült. Er orientierte sich an der Wasseroberfläche, Neal und das Boot waren längst weit zur Seite abgedriftet.
Das Plastikteil schoss nach vorn weg, überlegte Joe, ich muss mich umdrehen und in die Gegenrichtung laufen. Er ging auf dem Seeboden, selbst wenn das viel anstrengender war als zu schwimmen, weil er kein zweites Mal die Orientierung verlieren durfte.
Joe stapfte zwanzig Schritte gegen die Strömung, da ragte am Rande seines Sichtfeldes etwas aus dem Boden. Er stieß sich vom Grund ab und tauchte direkt darauf zu.
Zuerst erkannte er nur zwei dünne Wände aus Metall, die aus dem Boden staken – wie eine Blechhütte, bei der man Front und Rücken entfernt hatte. Es konnte sich um die beidenHöhenleitruder der Halifax handeln. Joe bemerkte ein zweites Wrackteil. Mehrere Mannslängen entfernt lag mehr Metall.
Er erreichte die zweite Stelle mit wenigen Schwimmbewegungen. Aus dem Boden ragte, leicht schräg gestellt, ein Ende des Flügels. Das letzte Erdbeben musste das Wrack aus dem Schlamm geschält haben, der es so lange verborgen hatte. In halber Entfernung zum Rumpf lag die Ruine eines Triebwerks. Vier Motoren hatten die Halifax angetrieben, jeder ehemals mit 1615 PS ausgestattet und nun nutzlos, die Rotorblätter nach hinten gekrümmt und in sich gedreht wie Reißzähne, braun und fleckig vom Rost.
Der Rumpf der Halifax lief als grauer Schlammrücken, von Schatten weich gezeichnet, von der Pilotenkanzel zur Seemitte hin, anfangs klar und deutlich, dann immer niedriger, bis das Ende im Schlamm versank und sich nicht einmal mehr erahnen ließ. Den schmalen Hügel unterbrachen zwei eingefallene Kuppeln, die Pilotenkanzel und die Glaskuppel des Bordschützen. Dort stach aus dem zersplitterten Glas noch das Rohr der Kanone hervor.
Von dem gewölbten Rumpf war Schlamm herabgerutscht und gab den Blick auf die Oberfläche frei.
Joe konnte nicht anders, er musste das Metall anfassen, um sich zu vergewissern, dass er das Flugzeug dieses Mal wirklich aufgespürt hatte. Er fühlte die Kälte des Metalls, die raue Oberfläche.
Das Gerüst, das die Oberflächenverkleidung hielt, wirkte wie das Gerippe eines vorsintflutlichen Tieres. Algen überzogen es. Als Joe zufasste, stoben ein paar kleine Fische aufgeregt davon und verschwanden in Richtung des Wrackinneren.
Das Ende des Rumpfs, früher eine Glaskuppel, lugte geborsten aus dem Schlamm; sie stand aus dem grauen Untergrund wie das riesige, weit geöffnete Maul eines Hais. Ausder Höhle stieß das verbogene Rohr der Bordkanone heraus wie der
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