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Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
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Die Bombe hatte sich im verbogenen Schacht verkeilt, und sie steckte noch fest in ihrer Verankerung.
    Joe schabte mit dem Tauchermesser den Rost von der Zange, welche die Bombe eisern festkrallte. Die rote Rostschicht blätterte ab und ließ darunter den unkorrodierten Stahl sehen. Er hatte gehofft, das Metall vielleicht bereits brüchig zu finden – Fehlanzeige, der Griff hielt.
    »Uns bleibt keine andere Wahl«, erklärte Joe über Funk. »Wir müssen die Halifax am Stück bergen. Einzeln kriegen wir die Bomben nicht raus.«
    Joe kletterte durch das zersplitterte Glas des Cockpits nach außen, wo ihn absolute Finsternis umhüllte. Eine Strömung erfasste ihn und zog ihn augenblicklich mit sich fort.
    Die Erdstöße hatten den See aufgewühlt, das ganze Wasser war noch immer trüb. Joe blickte um sich: Es gab keine Sicht, um ihn herum herrschte absolute Finsternis. Er orientierte sich an den Luftblasen, die er von sich gab, und tauchte mit aller Kraft bis zum Grund hinab. Dort sah er gewaltige Schleifspuren, die der noch weiter in die Tiefe rutschende Flugzeugkörper hinterlassen hatte.
    Das Beben hatte einen der Flügel der Halifax leicht angehoben, das Emblem der Royal Air Force aus großen, konzentrischen Kreisen deckte der Regen aus Schwebeteilchen gerade wieder zu.
    Joes Herz klopfte und pochte wie wild. Jetzt nur nicht in Panik verfallen!, schoss es ihm durch den Kopf, doch es half nicht viel. Er spürte die ersten Anzeichen für die Panik, die gerade heftig und fast unbeherrschbar in ihm aufwallte.
    Er versuchte, von der Bodenfurche zum Flugzeugrumpf zurückzuschwimmen, doch in der dunklen Brühe fand er ihn nicht mehr. Er wusste jetzt überhaupt nicht mehr, wo er sich befand. Nicht allzu weit vom Wrack, vermutlich, aber wo lag das Wrack? Wo der Boden durch die Dunkelheit schimmerte, wirkte alles schlammgrau und platt, von Rissen durchzogen.
    Joe begann heftig zu husten, eine hysterische Reaktion. Wo war oben, wo unten?
    Ruhe. Beruhige dich …
    Um ihn herum gab es nur diese trübe Suppe, Sichtweite weniger als zwei Fuß.
    Es ist völlig sinnlos, wenn ich hier in der Dunkelheit im Kreis umherirre, fasste Joe endlich wieder einen vernünftigen Gedanken. Mit immer noch wild hämmerndem Herzen und Wasser im Mund hockte er sich auf den weichen Seegrund. Der Boden fühlte sich merkwürdig warm an, jedenfalls viel zu warm für die Tiefe, in der er sich aufhielt.
    Dank Franziska wusste er, was das bedeutete: Er saß in der Nähe einer heißen Quelle, vielleicht sogar eines Geysirs.
    Überall um ihn herum perlten kleine Gasblasen aus dem Boden, stiegen langsam zur Seeoberfläche empor.
    Joe wartete einige Minuten, bis sich das Wasser leicht aufklarte. Tote Fische mit milchig gewordenen Augen trieben taumelnd vorbei.
    Joe erkannte, tatsächlich nur wenige Meter entfernt, die vagen, aber gewaltigen Umrisse der Halifax, die aus einer Kuhle im Grund herausragte, bevor eine neue Wolke aus Schlamm, Lehm und Dreck ihm zum zweiten Mal die Sicht auf das Flugzeug raubte.
    Endlich ließ das Herzrasen nach, atmete er fast normal. Allmählich konnte er wie bei Nebel sehen. Zur Sicherheit befestigte er einen Peilsender an einem der Wrackteile auf dem Boden. Er durfte nicht das Risiko eingehen, den einmallokalisierten Bomber durch erneute Erdstöße wieder zu verlieren.
    Dann beobachtete er die Luftblasen, die er ausstieß. Ihnen nach ging es an die Oberfläche. Allmählich fand er sich zurecht. Er tauchte möglichst senkrecht zur Seeoberfläche hoch und nahm dort ein GPS-Signal, um zum zweiten Mal den neuen Standort der Todesfracht zu bestimmen. Die alte Messung war unnütz geworden, das Wrack hatte sich bewegt. Hoffentlich ist es nicht geborsten, dachte er, hoffentlich hat das Beben nichts freigesetzt.
    Er lebte ja noch! Aber die toten Fische?
    Er hoffte, dass der See sie nur bei lebendigem Leibe gekocht hatte, dass sie nicht den Erreger in sich trugen.
    Joe tauchte in einer kleinen, geschützten Bucht auf und zog die Schwimmflossen aus. Er wartete auf einen Augenblick, in dem keine Fußgänger den Uferweg entlangwanderten. Auf dem überfüllten Pfad schlenderten mehr Familien und Einzelpersonen als in den Wochen zuvor. Die meisten trugen Kameras um den Hals oder um das Handgelenk. Katastrophentourismus!, dachte Joe. Seit die Zeitungen über einen möglichen Vulkanausbruch berichtet hatten, boomte der Fremdenverkehr. Das aufgeregte Gerede verriet, dass einige, vom Erdbeben erregt, den Ausbruch geradezu herbeisehnten.
    Endlich

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