Die Lava
tat sich eine Lücke auf. Joe hastete über den Pfad und eilte zu seinem Versteck, zog sich Straßenkleidung an. Er kam, als er zum Besprechungsraum zurückkehrte, an Vätern vorbei, die ihre Kinder auf den Schultern trugen, an Eltern, die Kinderwagen hastig zum Parkplatz schoben. Ein kleines Mädchen ließ einen Luftballon los und blickte ihm weinend nach.
Man merkte ihnen noch die Aufregung über den heftigen Ruck an, der sie vor knapp einer halben Stunde erschreckthatte. Sie sprachen durcheinander, gestikulierten. Einige starrten immer noch fassungslos auf den See.
Sportflugzeuge brummten am Himmel. Das Geschäft mit Rundflügen über den »schlafenden Vulkan« lief gut. Kinder kreischten, Autotüren schlugen zu, Motoren wurden angelassen. Das – machte sich Joe deutlich – war die reale Welt. Für die meisten würde sich diese Erfahrung schon bald in ein spannendes Ausflugabenteuer verwandeln.
Und unten im See tickte die Zeitbombe.
»Ich will nicht, dass du kommst, es ist wirklich gefährlich.« Joe seufzte. Er wiederholte sich, doch es half alles nichts.
»Ich will auch zuschauen«, krähte Clara dazwischen. »Ich will dabei sein, wenn Joe das Flugzeug aus dem Wasser holt.«
»Das kommt nicht in Frage!«, stellte Franziska fest.
Clara sah sie traurig an. »Warum denn nicht?«
»Du hast gehört, was Joe gesagt hat: Es ist zu gefährlich.«
»Und wieso darfst du zuschauen und ich nicht?«, fragte Clara nach.
»Mami darf es auch nicht!«, sagte Joe streng und viel lauter, als er eigentlich wollte.
Franziska wollte unbedingt unter den Zuschauern sein, begriff die Gefahr nicht, versprach ihm, ihn nicht zu stören, sie wollte ihm einfach nur nahe sein. Er konnte nicht erklären, dass das Wahnsinn war, dass sie sterben könnte, weil er Clara nicht ängstigen wollte.
Joe wollte keinen Streit. Nicht heute. Nicht mit ihr.
»Du bringst mich nicht davon ab!«, sagte Franziska mit fester Stimme. Sie wollte bei ihm sein, weil sie ihn liebte. Er wollte das nicht, weil er sie liebte.
Schließlich gab er nach und machte eine Handbewegung, die seine Resignation anzeigte.
»Ich passe schon auf«, sagte Franziska.
Er lächelte müde. »Hab deinen Autoschlüssel stets griffbereit. Und wenn du merkst, dass irgendetwas misslingt, dann läufst du zu deinem Auto und fährst davon. Versprichst du mir das?
Sie versprach es ihm.
»Habt ihr in Schottland auch Vulkane?«, wollte Clara wissen. Sie spürte die Spannungen und versuchte auf ihre kindliche Art, das Thema zu wechseln. Sie reichte ihm ein selbstgemaltes Bild. Ein Mann im Schottenrock trat einen glühenden Vulkan aus wie eine Zigarettenkippe.
»Nein, Clara, Vulkane haben wir in Schottland Gott sei Dank nicht. Wir haben nur ein paar kleinere Erdbeben.«
»Scheismische Stöße.« Clara kicherte.
Joe stand auf. »Ich muss jetzt zurück zum See.«
Franziska begleitete ihn zur Tür.
»Versprich mir«, sagte er zum Abschied, »dass du auf dich aufpasst.«
Sie nickte.
»Es wird schon alles klappen«, log er. Abschiede gelangen ihm einfach nicht.
Er ging zu seinem Auto. »Bis morgen«, rief er ihr zu. Sie winkte ihm nach.
Er fuhr durch eine dunkle Nacht, Wolken verdeckten die Sterne. Nur wenige andere Wagen waren unterwegs.
2
»Selbst wenn man sie laut herausschreit«, erklärte MacGinnis dem Team augenzwinkernd, als er mit einem Fuß die Tür zu dem Raum aufstieß, in dem die Journalisten bereits auf ihn warteten, »glaubt niemand mehr an die Wahrheit; aber jeder kniet vor der Lüge.« Er schmunzelte. Hier saßen die Reporter, er wollte sie belügen, und so stolzierte er zu den wartenden Reportern.
Er war ein seltsamer Mensch. Verblüfft beobachtete Joe Hutter, wie sein Chef mit einem breiten Grinsen im Gesicht ganz offensichtlich das Interesse der Medien – hauptsächlich Vertreter der Lokalzeitungen – genoss und sich in einen umgänglichen Märchenerzähler verwandelte. Eine Anekdote hier, ein locker eingestreutes Witzchen dort – MacGinnis gab den leicht spleenigen englischen Flugzeugnarr mit sichtlichem Vergnügen.
Neal kniff Joe vergnügt in die Seite und deutete dann auf MacGinnis. »Na, hättest du das von ihm gedacht?«
»Nein. Alles, aber das nicht.«
Am Morgen war eine E-Mail an die Presse herausgegangen, nun, Punkt 10:30 Uhr, begann die Pressekonferenz der britischen Flugzeugenthusiasten.
Der Einladung war etwa ein Dutzend Reporter gefolgt. Bei den meisten ließ sich deutlich erkennen, dass ihnen im Lauf der Zeit die Begeisterung für ihre
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