Die Lavendelschlacht
willst du mir doch nicht wirklich antun! Oder kannst du es verantworten, dass ich an gebrochenem Herzen sterbe?« Theatralisch fasste Josch sich an die Brust und mimte den sterbenden Schwan.
Vor Lachen bekam ich Seitenstiche. Was Josch wiederum dazu veranlasste, seine dramatische Inszenierung auf die Spitze zu treiben.
»Spar dir die Energie, Sunnyboy. Bei Annette beißt du dir deine karieszerfurchten Zähnchen aus«, verpasste Mona ihm schnippisch einen Dämpfer. »Du hast es doch eben gehört: Die Frau ist so gut wie verheiratet. Weg vom Markt. Capito?«
Plötzlich war Josch wieder höchst lebendig. »So gut wie. Aber noch ist sie es ja schließlich nicht! Die Schlacht ist erst verloren, wenn sie vor dem Altar steht oder«, er warf einen schnellen Blick auf meinen Schreibtisch, »in einer Kutsche sitzt.«
O Mann, zu blöd aber auch, warum hatte ich den Block nicht rechtzeitig verschwinden lassen?!
Josch pfiff durch die Zähne. »Bist du das wirklich?« Unverhohlen musterte er meine Oberweite. Dem Vergleich mit den prallen Melonen auf dem Bild würden meine Brüste wohl nicht standhalten.
Ich musste lachen. »Klar bin ich das. Mit mindestens drei Wonderbras übereinander!« Man konnte Josch einfach nicht böse sein. »Wie schön, dass es euch Männern bei einer Frau nur auf die inneren Werte ankommt.«
Wir alberten noch eine Weile herum, bis Bernd vorschlug, eine Flasche Sekt zu köpfen, die er eigens für solche Anlässe im Kühlschrank gebunkert hatte. Die Idee stieß auf allgemeine Zustimmung.
»Nein, ohne mich!« Ich wollte kein Spielverderber sein, aber heute Abend brauchte ich noch einen klaren Kopf. Rasch schaute ich auf die Uhr. Überhaupt, was saß ich hier eigentlich noch tatenlos rum? Das hatte ich schon viel zu lange getan. Jetzt wurde es Zeit, dass ich mein Schicksal endlich mal selbst in die Hand nahm. Mona hatte wirklich Recht. Warum sollten immer die Männer die Initiative ergreifen? In welchem Jahrhundert lebten wir denn? Selbst ist die Frau. Jawohl!
Hastig verabschiedete ich mich von meinen lieben Kollegen, stürmte mit fliegenden Mantelschößen aus der Redaktion und schwang mich in meinen Fiesta. Unter Missachtung sämtlicher Verkehrsregeln brauste ich gut gelaunt Richtung Heimat.
»Love is in the air!« Voller Inbrunst trällerte ich den uralten Song aus dem Radio mit. Ich hätte die ganze Welt umarmen können und suhlte mich genussvoll auf Wolke sieben. »Love is in the air!« Keinen blassen Dunst, wie der Text weiterging. Egal – Mut zur Lücke. Das hatte sich seit nunmehr zweiunddreißig Jahren bewährt.
Während ich wieder und wieder den hoffnungsvollen Refrain schmetterte, versuchte ich mir Thomas’ Gesicht vorzustellen, wenn ich ihm die alles entscheidende Masterfrage stellen würde. Erst verdutzt und dann überglücklich. Oder sofort glücklich? Mein Herz machte einen aufgeregten Hüpfer. Voller Ungeduld und Vorfreude trat ich das Gaspedal durch und schoss mit Tempo fünfzig plus Mehrwertsteuer auf die nächste Kreuzung zu. Just in diesem Moment sprang die Ampel von Orange auf Rot um.
Ich rang mit mir. Vollbremsung oder nicht?
Ach was, Augen zu und durch! Rote Ampeln werden in der heutigen Gesellschaft sowieso überbewertet, versuchte ich mein schlechtes Gewissen in Schach zu halten, während ich über die Kreuzung bretterte.
Tschakaaaa!
Heute war ich auf der Überholspur!
Zwei
Als ich die Wohnungstür aufschloss, wallte ein Gefühl tiefer Zufriedenheit in mir auf. Ich liebte es, nach Hause zu kommen. In unser Zuhause. In unsere eigenen vier Wände. Diese Wohnung war meine persönliche Festung, die mir Sicherheit und Geborgenheit gab. Draußen konnte mit Pauken und Trompeten die Welt untergehen, aber hier drinnen, davon war ich überzeugt, würde uns nichts und niemand etwas anhaben.
In der Diele schnupperte ich und sog tief den vertrauten Duft ein. Hmm! Eine Mischung aus Holz und einem Hauch Zitrone. Und etwas, das sich nicht beschreiben ließ. Nicht nur jeder Mensch, sondern auch jede Wohnung hat ihren eigenen, unverwechselbaren Geruch. Und unsere Wohnung roch einfach wunderbar!
Immer noch fröhlich vor mich hin trällernd, ging ich von Raum zu Raum und knipste die Lampen an.
Es werde Licht!
Gerade mal halb sechs, und draußen war es schon stockfinster. Im Gegensatz zu den meisten Leuten mochte ich den Herbst. Herrlich! Nicht nur der Stress der Biergartenbesuche, Grillpartys und Freibadausflüge, sondern auch die Sommerpause von Mon Chéri & Co. war endlich
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