Die Lavendelschlacht
Und der Gaul, der das Gefährt ziehen sollte, war offensichtlich aus einem Kalb und einem Bernhardiner geklont worden. Nun, meine Talente lagen auf anderen Gebieten, tröstete ich mich.
»Tamtamtata, tamtamtata, ta tam tata ta!«, schmetterte es plötzlich in voller Lautstärke hinter mir. Unverkennbar der Hochzeitsmarsch.
Vor Schreck fiel ich fast vom Stuhl. Der Stift entgleiste, und ein Blitz zuckte mitten durch das Bernhardiner-Kalb und das glückliche Paar.
Wie ein ertapptes Sünderlein fuhr ich herum und blickte in Monas grinsendes Gesicht. Sie erinnerte mich an eine Katze, die soeben einer ganzen Mäusesippschaft den Garaus gemacht hat. Schaute das letzte Schwänzchen vielleicht noch raus? Feixend platzierte sie eine dampfende Tasse Kaffee vor meiner Nase und zog sich einen Stuhl heran, den sie, um sich setzen zu können, erst einmal entrümpeln musste. Achtlos pfefferte sie den Zeitschriftenstapel auf den Boden. Dann beäugte sie mit halb zusammengekniffenen Augen und schräg gelegtem Kopf mein Kunstwerk, so als wäre es ein echter Picasso oder das Machwerk eines anderen hochkarätigen Schmierfinks.
Das Ganze war mir hochnotpeinlich. »Wie, keine Milch?«, probierte ich, sie abzulenken, und hielt ihr vorwurfsvoll meine Tasse entgegen.
»Netter Versuch.« Mist, Mona konnte ich nichts vormachen. »Schätzchen, du trinkst deinen Kaffee schwarz, falls dir das kurzfristig entfallen sein sollte.« Sie durchbohrte mich mit anklagenden Blicken. »Also, Annette, wirklich, mir als deiner besten Freundin hättest du es ja wohl sagen können ...«
Ich war mir – ausnahmsweise mal – keiner Schuld bewusst. »Ja, Herrgott nochmal, was hätte ich dir sagen sollen? Dass ich nicht malen kann?«
»Blödsinn! Dass ihr heiratet natürlich!«
Mir verschlug es glatt die Sprache. Doch bevor ich mich wieder einigermaßen gefasst hatte, war Mona bereits aufgesprungen und drückte mich so fest an sich, dass mir die Luft wegblieb. Uff, vermutlich war meine Lunge jetzt platt wie eine Flunder.
»Mensch, ich freue mich so für dich!«
Schön, aber musste sie mich deshalb gleich umbringen?! Japsend rang ich nach Atem.
Aufgeschreckt durch den Tumult, lugte Frauke hinter dem Bildschirm hervor. »Mädels, gibt’s was zu feiern?« Die Neugierde stand ihr ins Gesicht geschrieben.
»Und ob! Annette und Thomas heiraten!«, posaunte ihr Mona die vermeintlich gute Nachricht über zwei Schreibtische hinweg entgegen.
Fraukes Reaktion war an Euphorie kaum zu überbieten: »Eeecht?« Sie zog das Wort wie ein altes, ekeliges Kaugummi in die Länge. »Ich hoffe, du weißt, was du tust, Annette.« Mit Sorgenfalten auf der Stirn gesellte sie sich zu uns und schwang sich seufzend auf meinen Schreibtisch. »In der Ehe pflegt gewöhnlich einer der Dumme zu sein. Nur wenn zwei Dumme heiraten – das kann mitunter gut gehn.«
Sie ließ uns etwas Zeit, um diese unerhörte Erkenntnis sacken zu lassen. »Ist nicht von mir, ist von Tucholsky.«
Frauke war ein wandelndes Zitatenlexikon. Bevor sie uns mit weiteren Lebensweisheiten beglücken konnte, war es wohl an der Zeit, hier etwas richtig zu stellen. Dringend. »Mona, so Leid es mir tut, und Frauke, nur zu deiner Beruhigung: Ich werde nicht heiraten.« So, das war also geklärt.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte Mona mich an. »Du willst nicht?«
»Doch natürlich will ich. Irgendwann.« Ein heikles Thema. Nervös wickelte ich eine blonde Strähne um meinen Finger und begann darauf herumzunuckeln. Furchtbare Angewohnheit. »Falls Thomas mich jemals fragt ... «
Mona lachte erleichtert. »Ach, wenn’s weiter nichts ist. Das ist doch bei euch nur noch eine reine Formsache. Nach sechs Jahren! Wart’s ab, früher oder später wird er dir schon einen Antrag machen.«
Na, die hatte gut reden! Mit ihren achtundzwanzig Lenzen. In letzter Zeit beschlich mich immer häufiger der Verdacht, dass die Dreißig kein Alter, sondern ein Verfallsdatum war. Rein biologisch betrachtet.
»Früher wäre mir aber lieber als später. Ich bin immerhin zweiunddreißig. Höchste Zeit, sich über die Familienplanung Gedanken zu machen.«
Fraukes sorgenvolle Gesichtszüge entspannten sich. Vom Heiraten hielt sie nicht viel, von Kindern dafür umso mehr. Ihr kleiner Sohn Tillmann war ihr Ein und Alles. Seit ein paar Monaten drückte der kleine Rabauke die Schulbank und brachte die Lehrer, wie Frauke uns mit stolzgeschwellter Brust berichtet hatte, mächtig auf Trab. Ich konnte mir das lebhaft vorstellen. Live und
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