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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Katechismus, und ich möchte vorher das Beet fertig haben.«
    Lazare hatte sich auf eine Granitbank niedergelassen, einen alten Grabstein, der an die kleine Kirchhofsmauer gelehnt war. Er schaute zu, wie der Abbé sich mit den Schiefern herumschlug, er hörte ihn mit der scharfen Stimme eines alten Kindes plaudern; und ein heißes Verlangen erfaßte ihn, so arm und so einfach wie der Mann zu sein mit leerem Schädel und ruhigem Fleische. Man hielt den braven Alten zweifellos für eine große Unschuld an Geist, denn sonst hätte ihn das Bistum gewiß nicht auf dieser elenden Pfarre alt werden lassen. Übrigens gehörte er zu jenen, die sich nie beklagten, und deren Ehrgeiz befriedigt war, wenn sie nur Brot zu essen und Wasser zu trinken hatten.
    »Es ist nicht gerade besonders angenehm, unter diesen Kreuzen zu leben«, dachte der junge Mann laut.
    Der Abbé hielt erstaunt inne.
    »Wie, nicht angenehm?«
    »Ja, man hat den Tod beständig vor Augen und muß Nachts davon träumen.«
    Er nahm die Pfeife aus dem Munde und spie tüchtig aus.
    »Ich denke nie daran. Wir sind alle in Gottes Hand.«
    Er nahm seinen Spaten wieder vor und versenkte ihn mit einem Tritt des Absatzes in den Boden. Sein Glaube bewahrte ihn vor Furcht; er ging nicht über den Katechismus hinaus: man sterbe und gehe zum Himmel ein, nichts sei einfacher und beruhigender. Er lächelte etwas von oben herab. Der fixe Gedanke an das Heil füllte seinen engen Schädel völlig aus.
    Von jenem Tage an ging Lazare beinahe jeden Morgen in den Gemüsegarten des Pfarrers. Er setzte sich auf den alten Stein, verlor sich in den Anblick des seinen Gemüsegarten bearbeitenden Geistlichen und beruhigte sich für einen Augenblick angesichts dieser blinden Unschuld, die vom Tode lebte, ohne einen Schauer vor diesem zu empfinden. Warum konnte nicht auch er wieder zum Kinde werden wie dieser Greis? In ihm lebte die geheime Hoffnung, den entschwundenen Glauben in diesen Unterhaltungen mit einem schlichten Kopfe wieder erwachen zu sehen, dessen ruhige Unwissenheit ihn entzückte. Er brachte sich auch eine Pfeife mit, sie rauchten zusammen und plauderten über die Schmerlen, die den Salat fraßen oder über den zu teuren Dünger; der Priester sprach selten von Gott, denn ihn sparte er sich in seiner Duldsamkeit und in seiner Erfahrung als alter Beichtvater für sein persönliches Seelenheil auf. Die anderen gingen ihren Angelegenheiten nach, er den seinen. Nach dreißigjährigen nutzlosen Belehrungen hielt er sich genau an sein Amt mit der wohlgeordneten Barmherzigkeit des Bauern, der bei sich selbst den Anfang macht. Es war sehr liebenswürdig von dem jungen Manne, täglich so bei ihm einzutreten, und da er ihn nicht quälen, noch gegen seine Pariser Anschauungen kämpfen wollte, hielt er ihn lieber mit unendlichen Gesprächen in seinem Garten auf, während der Jüngling, dem der Kopf von dem unnützen Geschäft brummte, sich manchmal dem glücklichen Alter der Unwissenheit wieder nahe glaubte, in dem man keine Furcht empfindet.
    Aber die Morgen folgten aufeinander, und des Abends fand sich Lazare in seinem Zimmer mit den Erinnerungen an seine Mutter wieder, ohne den Mut zum Auslöschen der Lampe zu haben. Der Glaube war tot. Eines Tages rauchte er mit dem Abbé Horteur, beide saßen auf der Bank; plötzlich ließ der letztere bei einem Geräusch von Schritten hinter den Birnenbäumen seine Pfeife verschwinden. Es war Pauline, die ihren Vetter holen kam.
    »Der Doktor ist hier«, erklärte sie, »und ich habe ihn zum Frühstück eingeladen! ... Du kommst gleich heim, nicht wahr?«
    Sie lächelte, denn sie hatte die Pfeife unter der Bluse des Abbé bemerkt. Dieser zog sie mit dem Lachen sofort wieder hervor, das er stets aufsteckte, wenn man ihn rauchen sah.
    »Das ist zu dumm,« sagte er, »man könnte glauben, ich beginge ein Verbrechen ... Warten Sie, ich werde sie gleich vor Ihnen wieder in Brand setzen.«
    »Wissen Sie, Herr Pfarrer,« rief Pauline heiter, »Sie frühstücken bei uns mit dem Doktor, dann können Sie die Pfeife zum Nachtisch rauchen.«
    »Gut, ich nehme an ... Gehen Sie voraus, ich will nur meine Sutane anziehen. Ich bringe meine Pfeife mit, auf Ehrenwort!«
    Das war das erste Frühstück, bei dem man wieder ein Lachen im Speisezimmer vernahm. Beim Nachtisch rauchte der Abbé Horteur, was die Gesellschaft sehr belustigte; er leistete sich dieses Geschenk, aber mit solcher Treuherzigkeit, daß es sogleich als etwas Natürliches erschien. Chanteau hatte

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