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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Aufstehens, die er in Paris geändert hatte, die brummige Laune Veronikas, die unaufhörlichen Schmerzen seines Vaters, der allein sich nicht veränderte, das Gesicht von den nämlichen Leiden verzerrt, während alles im Leben rings umher vorwärts drängte und sich änderte. Er fand auch die sonnabendlichen Mahlzeiten wieder, die alten bekannten Mienen des Arztes und des Priesters mit ihren ewigen Unterhaltungen über den letzten großen Sturm oder die Badegäste von Arromanches. Minouche sprang zum Nachtisch immer noch mit der Leichtigkeit einer Feder auf den Tisch, sie gab ihm noch immer einen heftigen Stoß mit dem Kopfe unter das Kinn, um sich liebkosen zu lassen, und das leichte Kratzen ihrer kalten Zähne führte ihn viele, viele Jahre zurück. Als einzig Neues unter diesen Dingen von ehemals war der trübselige, unausstehliche Hund Loulou vorhanden, der wie eine Kugel zusammengerollt unter dem Tische schlief und knurrte, sowie man ihm zu nahe kam. Vergebens gab ihm Lazare Zucker; wenn das Tier ihn gierig gefressen, zeigte es ihm mit verdoppelter Bissigkeit die Zähne. Man hatte es gehen lassen müssen, es lebte für sich, ein Fremder in dem Hause, gleich einem ungeselligen Wesen, das von den Menschen und den Göttern nur verlangt, daß man es in Frieden langweilen lassen möge.
    Manchmal erlebten Lazare und Pauline auf ihren langen Spaziergängen auch Abenteuer. So hatten sie eines Tages den Weg auf dem Abhänge gerade verlassen, um nicht an der Fabrik der Schatzbucht vorüberzukommen, als sie bei der Biegung eines Hohlweges auf Boutigny stießen. Boutigny war jetzt ein großer Herr, denn die Herstellung von Handelssoda hatte ihn reich gemacht; er hatte jenes Geschöpf geheiratet, das ihm mit so außerordentlicher Hingabe in dieses Wolfsloch gefolgt und vor kurzem mit dem dritten Kinde niedergekommen war. Die ganze Familie, von Diener und Amme begleitet, saß in einem herrlichen Wagen, vor den ein Paar große Schimmel gespannt waren. Die beiden Spaziergänger mußten sich gegen die Böschung drücken, um nicht von den Rädern zermalmt zu werden. Boutigny lenkte selbst und ließ die Pferde im Schritt gehen. Es trat eine augenblickliche Verlegenheit ein: man sprach sich seit Jahren nicht mehr, die Gegenwart der Frau und der Kinder machte die Lage noch peinlicher. Endlich begegneten sich die Blicke; man begrüßte sich gegenseitig langsam und stumm.
    Als der Wagen verschwunden war, sagte der bleichgewordene Lazare mit Anstrengung:
    »Er führte also jetzt einen fürstlichen Haushalt?«
    Pauline, die nur der Anblick der Kinder gerührt hatte, sagte freundlich:
    »Ja, es scheint, daß er in den letzten Jahren ungeheure Gewinne gehabt hat... Er hat auch deine alten Versuche wieder aufgenommen; weißt du das?«
    Das gerade schnürte Lazare das Herz zusammen. Die Fischer von Bonneville hatten ihn mit der hämischen Sucht, ihm Unangenehmes zu sagen, auf dem laufenden gehalten. Seit einigen Monaten behandelte Boutigny mit Hilfe eines jungen, von ihm gegen Bezahlung angestellten Chemikers die Algen mit der Kältemethode; und dank seiner klugen Ausdauer eines praktischen Menschen erzielte er wunderbare Erfolge.
    »Alle Wetter!« sagte Lazare mit dumpfer Stimme. »Sowie die Wissenschaft einen Schritt vorwärts macht, ist es stets ein Dummkopf, der sie ohne Absicht in die Höhe bringt.« Ihr Spaziergang war verdorben, sie schritten schweigend einher; sie hatten die Augen in die Ferne gerichtet und sahen aus dem Meere graue Nebel emporsteigen, die den Himmel bleichten. Als sie des Abends heimkehrten, erschauerten sie beide. Die heitere Klarheit der Hängelampe auf dem weißen Tischtuche erwärmte sie wieder.
    Als sie an einem andern Tage in der Richtung von Verchemont einem Wege durch die Zuckerrübenfelder folgten, blieben sie erstaunt darüber stehen, ein Strohdach rauchen zu sehen. Es war ein Brand; die lotrecht fallenden Sonnenstrahlen verhinderten das Bemerken der Flammen, und das Haus, dessen Türen und Fenster geschlossen waren, brannte einsam aus, während die Bauern wohl auf den umherliegenden Feldern arbeiteten. Sie liefen sofort vom Wege ab, jagten dahin und schrien, aber verscheuchten nur die Elstern, die in den Apfelbäumen schwatzten. Endlich kam aus einem fernen Mohrrübenfelde eine Frau mit einem Kopftuche, sie schaute einen Augenblick um sich und lief dann hastig durch die Äcker, sich fast die Beine brechend, wie wild davon. Sie machte Zeichen und heulte ein unverständliches Wort, so würgte es sie in der

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