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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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mitten in diese Flammen gedrungen? Es war wie eine Verdoppelung seines Wesens, er sah sich wieder klar mitten im Rauche, mit einer Geschicklichkeit und unglaublichen Geistesgegenwart; es war ihm, als habe er einem von einem Fremden ausgeführten Wunder beigewohnt. Ein Überrest der inneren Erregung erfüllte ihn mit einer Freude, wie er sie bisher noch nie gekannt hatte.
    Pauline hatte sich ein wenig erholt und untersuchte seine Hände, indem sie sagte:
    »Nein, das wird nichts sein, die Brandwunden sind nicht tief. Aber wir müssen heimkehren, ich werde dich verbinden... Mein Gott, welche Angst du mir gemacht hast!«
    Sie hatte ihr Taschentuch in das Wasser getaucht, um seine rechte Hand, die mehr verletzte von beiden, hineinzuwickeln. Sie standen auf, versuchten die Frau zu trösten, die, nachdem sie das Kind heftig geküßt, es neben sich hingelegt hatte, ohne es weiter anzuschauen; jetzt jammerte sie über das Haus, sie brach in ein ebenso lautes Geheul aus bei dem Gedanken, was ihre Männer dazu sagen würden, wenn sie alles niedergebrannt fänden. Die Mauern hielten noch stand; ein schwarzer Rauch stieg aus der inneren Glut mit großen knisternden Funkengarben auf, so daß man nichts mehr sah. »Mut, arme Frau«, wiederholte Pauline. »Kommt morgen zu mir, um ein wenig mit mir zu plaudern.«
    Nachbarn, von dem Rauch herbeigelockt, kamen hinzu. Sie konnte Lazare fortführen. Die Heimkehr war sehr lieblich. Er litt wenig, aber sie wollte ihm trotzdem den Arm reichen, um ihn zu stützen. In ihrer nachgefühlten Erregung fehlten ihnen noch die Worte, sie sahen sich nur lächelnd an. Besonders sie empfand eine Art glücklichen Stolzes. Er, der aus Furcht vor dem Tode erbleichte, war also dennoch mutig? Sie vertiefte sich in das Erstaunen über diese Widersprüche in dem einzigen Manne, den sie gut kannte; denn sie hatte ihn nächtelang arbeiten, dann wieder monatelang müßig bleiben sehen, von einer sprachlos machenden Offenherzigkeit, nachdem er kurz vorher schamlos gelogen hatte; er hatte ihr kameradschaftlich die Stirn geküßt, während seine Manneshände vor Verlangen fiebernd an ihren Gelenken brannten; und heute war er gar zum Helden geworden! Sie hatte recht, nicht am Leben zu verzweifeln und die Welt entweder für ganz gut oder ganz schlecht zu halten. Als sie in Bonneville angelangt waren, machte sich ihr bewegtes Schweigen in einem Strome geräuschvoller Worte Luft. Die kleinsten Einzelheiten erwachten wieder, sie erzählte das Abenteuer zwanzigmal, immer vergessene Tatsachen hinzufügend, deren sich beide wie in dem lebhaften Schein eines Blitzes erinnerten. Man sprach lange Zeit davon, den abgebrannten Bauern wurden Unterstützungen geschickt.
    Lazare war bald einen vollen Monat in Bonneville. Da kam ein Brief Luisens, die vor Langeweile verzweifelte. Er schrieb ihr, daß er sie anfangs der nächsten Woche abholen werde. Es fielen abermals heftige Regenschauer, diese gewaltigen Güsse, die mit ihrer Heftigkeit über die Küste fegten wie ein Schleusenstrom, der die Erde, das Meer und den Himmel in einem grauen Dampf fortzuführen gewillt schien. Lazare hatte von der ernstlichen Beendigung seines Dramas gesprochen: Pauline, die er bei sich haben wollte, um sich Mut einzuflößen, brachte ihr Strickzeug mit hinauf, um die kleinen Strümpfchen zu verfertigen, die sie unter die Kinder des Dorfes verteilte. Aber sobald sie sich an den Tisch setzte, arbeitete er kaum. Sie plauderten mit halblauter Stimme immer über die nämlichen, unermüdlich wiederholten Dinge, Auge in Auge. Sie spielten nicht mehr, sie vermieden das Spiel ihrer Hände mit der unwillkürlichen Vorsicht gescholtener Kinder, welche die Gefahr des leichten Berührens der Schultern, das Streifen des Atems kennen, über das sie noch am Tage vorher gelacht hatten. Nichts schien ihnen übrigens köstlicher als dieser matte Friede, diese Schläfrigkeit, die bei dem Rauschen des unaufhörlich auf die Schiefern des Daches niederschlagenden Regens über sie kam. Ein Schweigen ließ sie erröten, unfreiwillig legten sie eine Liebkosung in jedes Wort, einem Drucke nachgebend, der die alten, längst vergessen geglaubten Tage wieder in ihnen erstehen und erblühen ließ.
    Eines Abends hatte Pauline beim Stricken bis Mitternacht in Lazares Zimmer verweilt, während er, dem die Feder aus der Hand gefallen war, ihr in langsamen Worten seine zukünftigen Werke auseinandersetzte, Dramen, von ungeheuren Figuren belebt. Das ganze Haus schlief, Veronika selbst

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