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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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war früh zu Bett gegangen; und dieser ganze erschauernde Friede der Nacht, in den nur der gewohnte Klagelaut der Hochflut drang, hatte sie nach und nach mit einer sinnlichen Zärtlichkeit erfüllt. Er öffnete sein Herz, bekannte, daß er sein Leben verfehlt habe: wenn er diesmal in der Literatur scheitere, sei er entschlossen, sich in einen Winkel zurückzuziehen und als Einsiedler zu leben. »Weißt du,« fuhr er lächelnd fort, »ich denke oft daran, daß wir nach dem Tode meiner Mutter hätten auswandern sollen.«
    »Wieso auswandern?«
    »Ja, weit fort entfliehen, zum Beispiel nach Ozeanien, auf eine dieser Inseln, wo das Leben so lieblich ist.«
    »Und dein Vater? Hätten wir ihn mitgenommen?«
    »O, ich sage dir ja, es ist nur ein Traum... Es ist doch nicht verboten, sich angenehme Dinge auszumalen, wenn die Wirklichkeit nicht heiter ist.«
    Er hatte den Tisch verlassen und sich auf einen Arm des Lehnstuhles gesetzt, in dem Pauline saß. Sie ließ ihr Strickzeug fallen, um über die fortwährenden Sprünge dieser Phantasie des großen, närrischen Kindes behaglich lachen zu können, und sie wandte ihm den gegen die Rücklehne gestützten Kopf zu, während er ihr so nahe war, daß er die lebendige Wärme ihrer Schulter an seiner Hüfte fühlte.
    »Bist du toll! Was hätten wir dort begonnen?«
    »Wir hätten gelebt!... Erinnerst du dich noch des Buches über Reisen, das wir vor zwölf Jahren zusammen lasen? Man lebt dort wie im Paradiese. Kein Winter, ein ewig blauer Himmel, ein Dasein unter der Sonne und den Sternen... Wir hätten eine Hütte gehabt, köstliche Früchte gegessen, nichts tun brauchen und keine Sorgen gekannt!«
    »Dann lieber gleich zwei Wilde mit Ringen durch die Nase und Federn auf dem Kopfe?«
    »Warum nicht? Wir würden uns von einem Ende des Jahres bis zum andern geliebt haben, ohne die Tage zu zählen; das wäre gar nicht so dumm gewesen.«
    Sie sah ihn an, ihre Lider zuckten, ein leichter Schauer bleichte ihr Gesicht. Dieser Gedanke an die Liebe stieg in ihr Herz nieder und erfüllte sie mit süßem Schmachten. Er hatte ihre Hand erfaßt ohne Absicht aus dem einfachen Bedürfnis, sich ihr noch mehr zu nähern, etwas von ihr zu halten; und er spielte mit dieser warmen Hand, deren schlanke Finger er beugte, wobei er immer verlegener lächelte. Sie beunruhigte sich nicht, es war das nur ein einfaches Spiel ihrer Jugend, dann schwanden ihre Kräfte, sie gehörte ihm in ihrer wachsenden Verwirrung bereits an. Selbst ihre Stimme wurde schwach.
    »Aber das ist mager, immer Früchte zu essen. Man müßte jagen, fischen, das Feld bebauen. Wenn die Frauen dort arbeiten, wie man sich erzählt, so würdest du mich also ebenfalls das Feld umgraben haben lassen.«
    »Du mit diesen kleinen Patschen?... Und die Affen, richtet man die nicht heutzutage zu vorzüglichen Dienstboten ab?«
    Sie antwortete mit einem ersterbenden Lachen auf diesen Scherz, während er hinzufügte:
    »Übrigens würden deine Händchen nicht mehr vorhanden sein... Ja, ich hätte sie schon längst aufgegessen, sieh... so!«
    Er küßte ihre Hände und biß sie schließlich, das Blut im Gesicht, von einem plötzlichen Verlangen geblendet. Sie sprachen nicht mehr; es war eine gemeinsame Tollheit, ein Abgrund, in den sie mit wirrem Kopf, vom gleichen Schwindel ergriffen, stürzten. Sie gab sich hin, in den Lehnstuhl zurückgesunken, mit rotem, geschwelltem Gesicht, die Augen geschlossen, als wollte sie nichts mehr sehen. Mit rauher Hand hatte er bereits ihr Obergewand aufgeknöpft, er riß die Haken ihres Rockes ab, als seine Lippen den ihren begegneten. Er gab ihr einen Kuß, den sie ihm inbrünstig wiedergab, gleichzeitig schlang sie ihre Arme mit aller Kraft um seinen Hals. Aber bei dieser Erschütterung ihres jungfräulichen Körpers hatte sie die Augen geöffnet, sie sah sich auf den Fußboden rollen und erkannte die Lampe, den Schrank, die Decke wieder, an der ihr die kleinsten Flecke bekannt waren: und sie schien zu erwachen mit dem Erstaunen einer Person, die sich nach einem schrecklichen Traume bei sich wiederfindet. Sie wehrte sich heftig und sprang auf. Ihre Röcke glitten herab, ihr weit geöffnetes Oberkleid ließ die nackte Brust hervorquellen. Ein Schrei entrang sich ihr in dem bebenden Schweigen des Gemaches.
    »Laß mich, das ist abscheulich!«
    Toll vor Verlangen, hörte er nicht mehr; er packte sie von neuem und riß ihr die Kleider vollends vom Leibe. Wohin der Zufall seine Lippen führte, suchte er ihre nackte

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