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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Hampelmann. Sowie sie aufgestanden war, sprang sie aus ihrer Stube in die des Vetters; sie setzte sich dort fest, stieg des Nachmittags wieder hinauf, lebte dort. Von dem ersten Tage an hatte Lazare sie wie einen um neun Jahre jüngeren Bruder bei sich aufgenommen, der aber so heiter und drollig war mit seinen großen, klugen Augen, daß er sich nicht weiter beschränkt fühlte, seine Pfeife rauchte, auf einen Stuhl hingeflegelt, mit den Beinen in der Luft las und lange Briefe schrieb, in die er Blumen gleiten ließ. Nur wurde manchmal der Kamerad von einer entsetzlichen Tollheit befallen. Pauline kletterte mitunter plötzlich auf den Tisch oder sprang wohl auch mit einem Satze durch den zerrissenen Bettschirm. Als er sich eines Morgens nach ihr umschaute, weil er nichts mehr von ihr hörte, sah er sie mit der Fechtmaske vor dem Gesicht, ein Florett in der Hand. Wenn er sie anfangs anschrie, sie solle sich ruhig verhalten, wenn er ihr drohte, sie vor die Tür zu setzen, endete das gewöhnlich mit fürchterlichem Lärm, mit Bocksspringen durch das drunter und drüber gebrachte Zimmer. Sie warf sich an seinen Hals, und er, selbst wieder zum Knaben geworden, ließ sie mit fliegenden Röcken sich drehen wie einen Kreisel, wozu beide herzlich wie die Kinder lachten.
    Später beschäftigte sie das Klavier. Es war ein alter Erard aus dem Jahre 1810, auf dem ehemals Lazares Mutter, Fräulein Eugenie de la Vignière, fünfzehn Jahre lang Unterricht erteilt hatte. In dem Mahagonigehäuse mit der verblaßten Lackierung seufzten mit verschleiertem Klange längst entschwundene Töne. Lazare, der bei seiner Mutter kein neues Klavier durchsetzen konnte, hämmerte mit allen Kräften auf diesem herum, ohne ihm die romantischen Klänge entlocken zu können, die ihm im Schädel summten. Er hatte die Gewohnheit angenommen, die Töne mit dem eignen Munde zu verstärken. Seine Leidenschaft ließ ihn bald Paulinens Gefälligkeit mißbrauchen; er hatte einen Zuhörer gefunden, dem er ganze Nachmittage lang seinen Musikvorrat entrollte: es enthielt das Schwierigste, was die Musik bot, vor allem die damals verleugneten Werke von Berlioz und Wagner. Er brüllte und spielte schließlich ebensoviel mit der Kehle wie mit den Fingern. An solchen Tagen langweilte sich das Kind entsetzlich, aber es hörte dennoch aufmerksam zu, aus Furcht den Vetter zu betrüben.
    Manchmal überraschte sie die Dämmerung. Dann erzählte Lazare, des Klimperns müde, seine großen Träume. Auch er werde, trotz seiner Mutter und trotz der ganzen Welt, ein großer Musiker werden. Auf dem Gymnasium zu Caen hatte er einen Professor der Violine gehabt, der ihm, von seiner musikalischen Begabung überrascht, eine ruhmvolle Zukunft prophezeite. Er hatte sich heimlich Kompositionsstunden geben lassen und arbeitete jetzt allein. Ihm war bereits ein unbestimmter Gedanke gekommen, der Gedanke einer Sinfonie über das irdische Paradies; ein Teil war sogar gefunden. Adam und Eva von den Engeln verjagt, ein Marsch feierlichen und schmerzvollen Charakters, den Pauline vorzuspielen er sich eines Abends herbeiließ. Das Kind stimmte allem bei und fand ihn sehr schön. Dann machte sie ihm Vorstellungen. Zweifelsohne müsse ihm das Komponieren guter Musik Vergnügen machen; vielleicht aber sei es klüger von ihm, wenn er seinen Eltern gehorche, die einen Präfekten oder einen Richter aus ihm machen wollten. Das Haus war über einen Streit zwischen Mutter und Sohn tief betrübt; dieser sprach davon, in das Pariser Konservatorium einzutreten, jene bewilligte ihm noch bis Oktober eine Frist, um sich den Beruf eines rechtschaffenen Mannes zu wählen. Pauline unterstützte den Plan ihrer Tante, der sie mit ihrer ruhig überzeugten Miene angekündigt hatte, sie übernehme es, ihren Vetter zu einem Entschluß zu bewegen. Man lachte darüber, Lazare aber schloß heftig das Klavier und rief ihr zu, daß sie »eine gewöhnliche Spießbürgerin sei!«
    Sie grollten drei Tage miteinander, dann vertrugen sie sich wieder. Um sie für die Musik zu gewinnen, hatte er sich in den Kopf gesetzt, ihr das Klavierspielen beizubringen. Er legte ihr die Finger auf die Tasten und ließ sie stundenlang Tonleitern spielen. Aber sie empörte ihn augenscheinlich durch ihren Mangel an Eifer. Sie suchte nur nach Veranlassungen zum Lachen und fand es drollig, Minouche die Klaviatur entlangzuführen, deren Pfoten barbarische Sinfonien zustandebrachten; und sie versicherte, die Katze spiele die berühmte Vertreibung aus

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