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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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bedeckenden und die Meereskiesel heranschaufelnden Welle hörte man diese Steine niederprasseln und sich auf der anderen Seite der Bohlen auftürmen wie das plötzliche Entladen einer Wagenladung Steine; diese sich so bildende Mauer war der Erfolg, die Verwirklichung des verheißenen Walles.
    »Ich sagte es gleich!« schrie Lazare. »Jetzt könnt ihr euch alle über ihn lustig machen.«
    Prouane, der seit drei Tagen nicht nüchtern geworden war, schüttelte neben ihm den Kopf und stotterte.
    »Erst sehen, wenn der Wind von draußen pfeift.«
    Die übrigen Fischer schwiegen. An dem verzogenen Munde von Cuche und Houtelard jedoch merkte man, daß sie nur ein mäßiges Vertrauen zu allen diesen Kniffen hatten. Auch wünschten sie nicht, dieses sie zermalmende Meer von diesem Hanswurst von Bürger geschlagen zu sehen. Sie würden schon lachen an dem Tage, an dem es diese Balken wie Strohhalme fortwälzt. Das konnte zwar das ganze Dorf verwüsten, aber ein Spaß blieb es immerhin.
    Der Platzregen brach plötzlich los. Dicke Tropfen fielen aus der fahlen Wolke, die drei Viertel des Himmels überzogen hatte.
    »Das ist nichts, warten wir noch einen Augenblick«, wiederholte Lazare begeistert. »Seht doch, seht doch, nicht ein einziger Pfahl rührt sich.«
    Er hatte seinen Schirm über Luisens Kopf aufgespannt. Sie drängte sich mit dem Gehaben einer fröstelnden Turteltaube noch enger an ihn. Pauline, sich selbst überlassen, blickte sie immerfort wütend an; sie glaubte die Wärme ihres Zusammenschmiegens in ihr eigenes Gesicht steigen zu fühlen. Der Regen strömte jetzt geradezu. Lazare wandte sich plötzlich um.
    »Was gibt es?« schrie er. »Bist du toll? ... Öffne wenigstens den Sonnenschirm.«
    Sie stand aufrecht, starr unter dieser Sündflut, die sie nicht zu empfinden schien. Mit einer rauhen Stimme erwiderte sie:
    »Laß mich in Ruhe, ich befinde mich vollkommen wohl.«
    »Oh! Lazare, ich bitte Sie, zwingen Sie sie, zu uns zu kommen«, sagte Luise verzweifelt ... Wir werden uns alle drei fest unterfassen.
    Aber Pauline würdigte sie in ihrer wilden Verbohrtheit nicht einmal mehr einer Weigerung. Sie befand sich ganz gut so, warum störte man sie? Als er am Ende mit seinen Bitten anhob:
    »Aber das ist doch zu dumm; laßt uns zu den Houtelards eilen!« antwortete sie abweisend:
    »Lauft, wohin ihr wollt ... Wir sind hier, um etwas zu sehen, so will ich eben sehen.«
    Die Fischer waren geflohen. Sie aber stand unbeweglich unter dem Wolkenbruch, den Blick den Balken zugewandt, welche die Wogen völlig zudeckten. Dieses Schauspiel schien sie völlig in Anspruch zu nehmen trotz des Wasserstaubes, in welchem jetzt alles verschwamm, einer grauen Wolke, die durch den Regen gesiebt, vom Meere aufstieg. Ihr triefendes Gewand zeichnete sich an den Schultern und Armen mit breiten, schwarzen Flecken ab. Sie war nicht eher zum Verlassen des Ortes zu bewegen, als bis der Westwind die Wolke davongejagt hatte.
    Alle drei kehrten schweigend heim. Nicht ein Wort von dem Abenteuer wurde weder der Tante noch dem Onkel erzählt. Pauline hatte sich sofort hinaufbegeben, um die Leibwäsche zu wechseln, während Lazare von dem vollständigen Erfolg seines Versuches erzählte. Am Abend bei Tische wurde Pauline von einem abermaligen Fieberanfalle heimgesucht; aber sie behauptete, nicht zu leiden, trotz der ersichtlichen Qual, die ihr das Hinunterschlucken eines jeden Bissens verursachte. Sie gab schließlich Luisen grobe Antworten, die sich zärtlich besorgt ihretwegen beunruhigte und sie unaufhörlich nach ihrem Befinden fragte.
    »Sie wird durch ihren bösartigen Charakter wirklich unausstehlich«, hatte Frau Chanteau hinter ihr her gebrummt. »Man kann schließlich nicht einmal mehr mit ihr reden.«
    In derselben Nacht wurde Lazare um die erste Morgenstunde durch das Geräusch eines so schrecklichen trockenen Hustens geweckt, daß er sich aufrichtete, um zu lauschen. Sein erster Gedanke galt seiner Mutter; während er noch horchte, trieb ihn der jähe Fall eines Körpers, der die Dielen zittern ließ, aus dem Bette und hastig in die Kleider. Das konnte nur Pauline sein, der Körper schien hinter der Scheidewand aufgeschlagen zu haben. Mit seinen zitternden Fingern suchte er die Streichhölzer anzuzünden. Endlich konnte er mit seinem Wachsstock hinaus und sah zu seiner Überraschung die gegenüberbefindliche Tür offen. Auf der Schwelle sah er das junge Mädchen im Hemde, mit nackten Füßen und Armen liegen.
    »Was ist geschehen?«

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