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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Tische hatte er ausgerufen, er wolle nach Australien gehen, weil in Frankreich kein Platz mehr für ihn sei. Sie dachte an diese Dinge, während die Flut in ihrer vollen Höhe im Schoße der Dunkelheit Bonneville peitschte. Jeder Anprall erschütterte sie, sie glaubte in regelmäßigen Zwischenräumen das Heulen der von der See Gefressenen zu hören. Der Kampf, den die Liebe zum Gelde wieder einmal ihrer Güte lieferte, wurde jetzt unerträglich. Sie schloß das Fenster, wollte nichts mehr hören. Aber die fernen Schläge durchrüttelten sie in ihrem Bette. Warum nicht das Unmögliche versuchen? Was galt das in das Wasser geworfene Geld, wenn man dafür selbst nur eine einzige Möglichkeit der Rettung des Dorfes eintauschte? Sie schlief erst gegen Morgen ein mit dem Gedanken an die Freude ihres Vetters, der aus einer düstren Traurigkeit gerissen, endlich vielleicht auf seinen wirklichen Weg gebracht wurde, glücklich durch sie, weil er ihr alles schuldete.
    Am nächsten Morgen rief sie ihn, ehe sie nach unten ging, zu sich.
    »Weißt du schon? Ich habe geträumt, ich liehe dir zwölftausend Franken?«
    Er wurde zornig und weigerte sich heftig.
    »Du willst also, daß ich abreise und nicht wieder, zum Vorschein komme ... Nein, es mag an der Fabrik genug sein. Ich sterbe daran vor Schande, ohne es dir zu sagen.«
    Zwei Stunden später nahm er ihr Anerbieten an; er drückte ihr die Hände in einem leidenschaftlichen Ausbruch. Es war bloß ein Vorschuß, ihr Geld laufe keine Gefahr, denn die Bewilligung des Zuschusses seitens des Generalrates unterliege keinem Zweifel, namentlich angesichts des Beginns der Ausführung. Am selben Abend noch wurde der Zimmermeister von Arromanches berufen. Es gab endlose Besprechungen, Spaziergänge längs der Küste, eine heftige Auseinandersetzung über den Kostenanschlag. Das ganze Haus verlor darüber den Kopf.
    Frau Chanteau dagegen war außer sich geraten, als sie von dem Darlehen der zwölftausend Franken hörte. Lazare war erstaunt und begriff nicht. Seine Mutter überhäufte ihn mit seltsamen Beweisführungen. Pauline strecke ihnen ohne Zweifel von Zeit zu Zeit kleine Beträge vor, doch sie könne sich unentbehrlich glauben, deshalb habe man lieber den Vater Luisens um die Eröffnung eines Kredits angehen können. Luise selbst, die eine Mitgift von zweihunderttausend Franken bekam, verursachte mit ihrem Vermögen nicht so viele Verlegenheiten. Diese Ziffer von zweihunderttausend Franken kehrte unaufhörlich auf Frau Chanteaus Lippen wieder, und sie schien eine gereizte Geringschätzung gegen die Trümmer jenes andern Vermögens zu empfinden, dessen Zerfließen in dem Schreibsekretär begonnen hatte und sich jetzt in der Kommode fortsetzte.
    Chanteau heuchelte auf Antreiben seiner Frau ebenfalls Verdrossenheit über die Sache. Pauline machte es großen Kummer; trotzdem sie ihr Geld hingab, fühlte sie sich dennoch weniger geliebt als ehedem; sie glaubte sich von einem geheimen Groll umgeben, dessen Ursache sie sich nicht erklären konnte, und der von Tag zu Tag wuchs. Doktor Cazenove brummte ebenfalls, als sie ihn der Form halber zu Rate zog; aber er war wohl oder übel genötigt gewesen, zu allen geliehenen Beträgen, den kleinen wie den großen, ja zu sagen. Sein Amt als Kurator blieb illusorisch, er fand sich in diesem Hause entwaffnet, in dem er als alter Freund empfangen wurde. Am Tage der zwölftausend Franken lehnte er jede Verantwortung ab.
    »Mein Kind,« sagte er und nahm Pauline beiseite, »ich will nicht mehr ihr Mitschuldiger sein. Fragen Sie mich nicht mehr um Rat, ruinieren Sie sich, wie es Ihnen Ihr Herz eingibt. Sie wissen sehr wohl, daß ich Ihren Bitten nie widerstehen würde, und ich leide nachher wirklich darunter, denn mein Gewissen fühlt sich ganz bedrückt. Ich möchte lieber nichts von dem wissen, was ich doch mißbillige.«
    Sie blickte ihn tief gerührt an. Nach einer Pause aber sagte sie:
    »Tausend Dank, mein guter Doktor ... Aber ist das so nicht vernünftiger? Was tut es, wenn ich glücklich bin?«
    Er hatte ihre Hände gefaßt, er drückte sie väterlich in ernster Ergriffenheit.
    »Ja, wenn Sie glücklich sind? ... Auch das Unglück wird mitunter recht teuer erkauft.«
    In der Hitze dieser dem Meere zu liefernden Schlacht hatte Lazare natürlich die Musik völlig aufgegeben. Ein feiner Staub legte sich auf das Klavier, die Partitur seiner großen Symphonie war in das Schiebfach zurückgekehrt dank Paulinen, welche die einzelnen Blätter unter den

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