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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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eine Last. Doch keine Klage entschlüpfte ihr; sie sprach von unaufhörlichen Migränen; als ihr der Vetter riet, nicht auszugehen, ärgerte sie sich und ließ ihn selbst nicht mehr im Hause allein. Als er eines Nachts um zwei Uhr noch wach war, um einen Plan zu vollenden, öffnete er die Tür, weil er zu seiner Überraschung Schritte hörte. Sein Staunen wuchs, als er sie im bloßen Unterrock, ohne Licht über das Geländer gebeugt sah, um auf Geräusche in den unteren Zimmern zu lauschen. Sie erzählte, daß sie selbst Klagen zu vernehmen geglaubt hätte. Diese Lüge jedoch färbte ihr die Wangen; er errötete, ebenfalls von einem Zweifel befallen. Seitdem grollten sie sich gegenseitig ohne eine weitere Aussprache. Er wandte den Kopf, fand sie lächerlich, wegen derartiger Kindereien derart zu maulen; während sie immer düsterer wurde und ihn keinen Augenblick mit Luise allein ließ, deren geringste Bewegungen beobachtete und am Abend in ihrem Zimmer Todesqualen durchkämpfte, wenn sie jene auf der Heimkehr vom Strande miteinander hatte flüstern sehen.
    Mit den Arbeiten ging es vorwärts. Eine Schar Zimmerleute führte jetzt ein erstes Bollwerk aus, nachdem sie vorher starke Bohlen auf eine Reihe Spitzpfähle genagelt hatten. Es war dies übrigens ein einfacher Versuch, sie beeilten sich in der Voraussicht des Eintritts einer Hochflut; wenn die Holzstücke widerstanden, wollte man das System der Verteidigung vervollständigen. Das Wetter war unglücklicherweise abscheulich. Wolkenbrüche fielen ohne Unterlaß, ganz Bonneville ließ sich durchweichen, um die Pfähle mit Hilfe einer Stampfe in den Boden treiben zu sehen. Am Morgen des Tages endlich, an welchem man die große Flut erwartete, verdunkelte ein tintenfarbener Himmel das Meer; seit acht Tagen verdoppelte sich der Regen, und ertränkte den Horizont in einem eisigen Nebel. Es war zum Verzweifeln, denn man hatte einen Ausflug mit Kind und Kegel geplant, um dem Siege der Bohlen und Stützbalken beim Angriff der Hochflut beizuwohnen.
    Frau Chanteau beschloß, bei dem noch sehr leidenden Gatten zu bleiben. Man tat alles Mögliche, um auch Pauline zurückzuhalten, die seit einer Woche einen entzündeten Hals hatte: sie war etwas heiser, und allabendlich befiel sie ein leichtes Fieber. Sie wies indessen alle Ratschläge zur Vorsicht zurück und wollte an den Strand gehen, weil Lazare und Luise sich dorthin begaben. Diese Luise mit ihrem gebrechlichen Tun und stets Ohnmachten nahe war im Grunde von einer überraschenden, nervösen Kraft, wenn ein Vergnügen sie aufrecht hielt.
    Alle drei brachen nach dem Frühstück auf. Ein Windstoß fegte soeben die Wolken fort; triumphierendes Lachen begrüßte diese unerwartete Freude. Der Himmel zeigte so breite, blaue, noch von einigen schwarzen Fetzen durchquerte Felder, daß die Mädchen nur ihre Sonnenschirme mitnehmen wollten. Lazare allein trug einen Regenschirm. Im übrigen bürgte er für ihre Gesundheit, er wollte sie schon irgendwo unterbringen, falls die Regengüsse von neuem begännen.
    Pauline und Luise schritten voraus. Bei Beginn des steilen Abhanges nach Bonneville hinunter schien letztere jedoch auf dem schlüpfrigen Boden einen Fehltritt zu machen, und Lazare, der sich an ihre Seite begab, bot sich ihr zur Stütze an. Pauline mußte ihnen folgen. Ihre bei dem Aufbruche gezeigte Fröhlichkeit war dahin, ihre argwöhnischen Augen bemerkten, daß der Ellbogen ihres Vetters sich mit einer beständigen Liebkosung an der Hüfte von Luise rieb. Bald sah sie nur noch diese Berührung, alles andere verschwand, sowohl das Ufer, an dem die Fischer des Ortes mit spöttisch belustigten Mienen der Dinge harrten, wie auch das bereits steigende Meer und die vom Gischt schon weiße Schutzwehr. Am Horizont vergrößerte sich eine düstere Barre, eine pfeilgeschwind aufsteigende Wolke.
    »Teufel«, murmelte der junge Mann und schaute sich um, wir werden gleich wieder eine Suppe bekommen ... Der Regen wird uns jedoch noch Zeit zum Sehen lassen, und wir können uns gegenüber zu den Houtelard retten.
    Die Flut, welche den Wind gegen sich hatte, stieg mit einer ärgerlichen Langsamkeit. Der Wind hinderte sie zweifellos so stark zu werden, wie man vorausgesagt hatte. Niemand aber wich vom Strande. Die halb bedeckte Wehr tat ihre Schuldigkeit, zerschnitt die Wogen, deren niederfallendes Wasser dann bis zu den Füßen der Zuschauer aufbrodelte. Der Triumph jedoch galt dem siegreichen Widerstande der Pfähle. Nach jeder sie

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